Flucht aus dem Harem
deshalb übernahm sein Onkel Edward den Titel und die Familiengeschäfte. Nun, sein Neffe hat ihn keine Woche nach seiner Ankunft auf die Straße gesetzt und der Queen seine Aufwartung gemacht, um klarzustellen, dass er der rechtmäßige Erbe ist und nicht sein Onkel. Außerdem hat er alle Hausangestellten entlassen und neues Personal eingestellt. Ein Wunder, dass er nicht die Möbel zerhackt und verbrannt hat.“
„Liebling, Edward Grenville besitzt durchaus eigene Güter und führt den Titel Lord Lexington, er fiel also weich.“
„Dennoch wirbelte so ein Vorgehen natürlich einigen Staub auf.“
„Und auch sonst lässt das Verhalten des neuen Marquess of Wexford sehr zu wünschen übrig. Er ist ein Herumtreiber.“ Sir Henry räusperte sich und senkte seine Stimme. „Weder einem guten Glas abgeneigt noch einem guten …“
„Henry!“, rief seine Frau entsetzt.
„Ach was, Eleonore, wir sind doch alle erwachsen. Und dass Wexford seit seiner Heimkehr mehr Nächte in Bordellen verbracht hat als in seinem eigenen Haus, ist beileibe kein Geheimnis.“
Kate schwieg und versuchte diese Flut an Informationen zu verdauen.
„Kennst du ihn?“, fragte Serena. Alle Umstehenden sahen sie neugierig an.
„Nein, natürlich nicht. Ich hatte mich nur erschrocken, weil er das Glas fallen ließ.“ Die Lüge kam ihr erstaunlich glatt über die Lippen, und sie lächelte freundlich in die Runde.
„Vermutlich hat er mehr getrunken, als ihm gut tut“, meinte Sir Henry und griff nach dem Arm seiner Frau. „Dort drüben sehe ich James, komm lass uns gehen.“
Die Gruppe zerstreute sich. Kate und Serena schlenderten weiter. „Und du kennst ihn wirklich nicht?“, fragte Serena mit spürbarem Zweifel in der Stimme, sobald sie außer Hörweite waren.
Vielleicht würde sie ihr später die Wahrheit sagen, aber ganz sicher nicht hier, in mitten eines Ballsaales voller Menschen. „Ach, Serena, ich …“
Ihre Stimme erstarb, da sich plötzlich ein Mann vor ihnen aufbaute. Er fixierte Kate mit einem kalten Blick aus grünen Augen. „Ich hätte nicht gedacht, dich ausgerechnet hier zu anzutreffen, Leila.“
Kate spannte jeden Muskel in ihrem Körper an. „Es tut mir leid, aber Sie müssen mich verwechseln, mein Name ist nicht Leila.“
Sie wollte an ihm vorbei, aber er stellte sich ihr in den Weg. „So, dein Name ist also nicht Leila …“ Seine Stimme war noch kälter als sein Blick. Als er weitersprach, wechselte er in die osmanische Sprache. „Eine weitere Lüge? Sag, kannst du sie überhaupt noch zählen? Oder ist es dir egal? Sammelst du Namen und Lügen und Männer, wie andere Leute Porzellanfiguren?“
Auch wenn es ihr schwer fiel, bewahrte Kate nach außen hin die Ruhe, als sie auf Englisch erwiderte: „Ich verstehe Sie nicht, Lord Wexford, Sie müssen sich irren. Bitte lassen Sie Lady Dexter und mich zufrieden. Vielleicht finden Sie ja am Kartentisch Unterhaltung.“
Serena machte eine unmerkliche Geste in Richtung einer Gruppe Männer, aber weder Kate nach Justin bemerkten es.
„Was ist mit unserem Kind, Leila?“, fuhr Justin auf osmanisch fort. „War das auch nur eine Lüge? Um die Aufmerksamkeit eines liebeskranken Narren davon abzulenken, dass er nur als Mittel zum Zweck diente?“
„Ich verstehe die Sprache nicht, die Sie sprechen, Lord Wexford und …“
„Hören Sie auf, die Ladies zu belästigen, Wexford, oder ich sorge dafür, dass Sie in kein Haus des tons mehr Zutritt haben.“ Während der Mann sprach, hatte einer seiner Begleiter Justin am Oberarm gepackt, ein anderer vertrat ihm den Rückweg. „Das Eis, auf dem Sie sich bewegen, ist ohnehin sehr dünn.“
Justin wehrte sich nicht, wich aber auch nicht zurück. „Frauen wie dich gibt es überall, Leila, das habe ich inzwischen gelernt. Ganz egal, ob sie in Baracken oder in Palästen wohnen, sie bleiben stets, was sie sind: Huren.“
Der Schlag saß, und Kate hatte Mühe, weiterhin so zu tun, als ob sie nichts von dem verstand, was Justin sagte. Mit einiger Anstrengung lächelte sie die Männer an. „Danke für Ihre Hilfe, Gentlemen, Lord Wexford ist einer Verwechslung erlegen, vielleicht hat er dem vorzüglichen Champagner zu sehr zugesprochen und braucht ein wenig frische Luft.“
Die Männer zerrten Justin weg, und Serena griff nach Kates Ellbogen. „Gehen wir in den Erfrischungsraum, du bist weiß wie eine Wand“, sagte sie leise. „Du hast verstanden, was er gesagt hat, nicht wahr?“
Kate nickte.
„Und es waren keine Komplimente.“
„Nein.
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