Flucht aus dem Harem
der Ansicht, dass das nicht reichen wird. Er kannte Justin Grenville, ehe er verschwand. Und er glaubt, dass ich der Justin Grenville bin, den er kannte. Aber das ist auch alles.“
Da Kate schwieg, fuhr er fort: „Es widerstrebt mir, dich darum zu bitten, aber du bist die Einzige, die bezeugen kann, dass ich der langjährige Gefangene des Paschas von Alexandretta war.“
Kate stellte die Tasse nieder. „Das kann ich nicht, weil meine eigene Identität nichts weiter als eine Lüge ist. Ich bin Lady Dowbridge, eine Person, die Serena erfunden hat. Lady Dowbridge jedoch war niemals in Alexandretta.“
„Aber du könntest ihnen sagen, wer du wirklich bist …“
„Und wer wird mir glauben?“, unterbrach sie ihn. „Es ist ganz offensichtlich, dass wir ein Verhältnis haben, seit gestern Abend weiß ganz London darüber Bescheid. Man wird behaupten, dass ich dich mit meinen Behauptungen nur schützen will. Niemand wird mir glauben, dass ich die Tochter des Earls of Rosscliff bin.“
Ihn fröstelte bei ihren Worten. Er versuchte, nicht darauf zu achten. „Dein Großvater kann deine Identität bestätigen“, sagte er langsam.
„Für meinen Großvater bin ich tot. Nach allem, was passiert ist, will ich ihn nie wiedersehen oder mit ihm in Verbindung gebracht werden. Und sogar wenn er es tun würde – ich stehe als Lügnerin da. Ich habe einmal gelogen, um in London einen lockeren Lebenswandel führen zu können – so wird man es auslegen –, warum sollte ich nicht ein zweites Mal lügen, um meinen Liebhaber zu decken?“ Sie warf den Kopf in den Nacken. „Für kein Gericht der Welt bin ich eine glaubwürdige Zeugin. Ich würde alles nur noch schlimmer machen.“
Er versuchte den Schlag, den sie ihm gerade versetzt hatte, zu verarbeiten. „Das heißt, du wirst nicht für mich aussagen?“
Sie schlug die Decke zurück und schwang die Beine aus dem Bett. Ohne ein Wort begann sie ihre Kleidungsstücke zusammenzusuchen und so gut es alleine ging, überzustreifen.
Justin machte keine Anstalten ihr zur Hand zu gehen. Er konnte es nicht glauben. Er konnte nicht glauben, dass sie es ablehnte, ihm zur Seite zu stehen. Da hatte er sich endlich überwunden, sie zum Hilfe zu bitten, und sie schob windige Gründe vor, es nicht zu tun.
Wie durch einen Tunnel sah er ihr zu, wie sie halbherzig das Korsett verschnürte und die Häkchen des Kleides mit einigen Verrenkungen schloss. Ihr Haar ließ sie offen, und den herumliegenden Schmuck stopfte sie kurzerhand in ihren Beutel.
An der Tür blieb sie stehen und straffte sich, ehe sie sich umdrehte. Er blickte sie noch immer wie betäubt an, und es dauerte eine Weile, bis er ihre Worte in ihrem ganzen Ausmaß begriff.
„Abgesehen von allem anderen, Justin, kann ich deine Identität nicht bezeugen, selbst wenn ich es wollte. Woher soll ich wissen, ob du tatsächlich der Gefangene des Paschas warst? Ich habe dich erst auf dem Schiff kennen gelernt, und Kapitän Harris sprach dich als Mister Grenville an. Selbst wenn du mich vor Gericht brächtest, das ist alles, was ich bezeugen könnte, so wahr mir Gott helfe.“
24
Serena saß im kleinen Salon und beschäftigte sich mit ihrer Korrespondenz, als Kate eintrat. Ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht, das schlagartig verblasste. „Um Himmelswillen, was ist geschehen? Du siehst aus wie der leibhaftige Tod!“
Kate ließ sich auf einen Stuhl sinken und schloss die Augen. Ihr Kopf schmerzte, seit sie die Tür zu Justins Schlafzimmer hinter sich geschlossen hatte, und sie nahm nicht an, dass er in absehbarer Zeit damit aufhören würde.
„Warum fällt manchen Menschen alles in den Schoß, und andere erwischen nicht einmal ein Eckchen vom Glück?“, fragte sie bitter.
Serena legte die Feder beiseite und ging zu ihrer Freundin hinüber. „Hat er dir den Laufpass gegeben?“
„Nein, viel schlimmer.“ Sie öffnete die Augen und sah Serena an. „Er hat Probleme, und ich kann ihm nicht helfen, obwohl er glaubt, dass ich es könnte. Und bei Gott, ich wünschte, ich könnte ihm helfen.“ Mit wenigen Worten erzählte sie der Freundin die Geschichte.
Serena hörte zu und nickte dann beifällig. „Alles, was du sagst, stimmt natürlich. Dadurch, dass du selbst einen erfundenen Namen trägst, machst du mit einer Aussage die Sache auf jeden Fall schlimmer. Aber die Lösung ist doch ganz einfach. Der Pascha soll ein Dokument ausstellen, das Justins Identität einwandfrei beweist. Das wird der Queen vorgelegt, und alles ist wieder in
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