Flucht aus dem Harem
Sicherheit wiegen? Oder war er gar nicht wegen ihr in London, sondern verfolgte tatsächlich nur eine diplomatische Mission?
Was auch immer der Grund für seine Anwesenheit sein mochte, sie konnte dem Schicksal nur dankbar dafür sein. Denn jetzt hatte sie tatsächlich eine Möglichkeit, Justin zu helfen.
Innerhalb einer Stunde kehrte der Bote zurück, den sie ausgeschickt hatte, um den Aufenthaltsort von Karim Pascha in London ausfindig zu machen.
Innerhalb zweier weiterer Stunden stand Kate vor den Toren von Huntington Palace, dem Anwesen, das die Queen der osmanischen Delegation zur Verfügung gestellt hatte. Sie hatte auf Begleitung verzichtet, aber angesichts der beiden mürrisch dreinblickenden Wachen vor dem Tor begann sie diesen Entschluss zu bedauern. Dennoch straffte sie die Schultern und bemühte sich, möglichst herablassend zu wirken, als sie sagte: „Ich möchte Karim Pascha sprechen. Er erwartet mich. Mein Name ist …“, sie holte tief Atem, „mein Name ist Leila.“
Nach einer Weile kam der Wächter mit einem in osmanischer Tracht gekleideten Bediensteten zurück. Kate wiederholte ihr Anliegen in seiner Sprache und wurde in einen Salon geführt, wo sie zu warten hatte. Die Entscheidung, ob der Pascha die Absicht hatte, sie zu empfangen, würde ihr in Kürze mitgeteilt werden.
Kate setzte sich auf die äußerste Kante eines kleinen Sofas. Ihre Anspannung war so groß, dass sie sich nicht bemühen musste, den Rücken gerade zu halten. Alles war so schnell gegangen, dass sie sich keinen Plan hatte zurechtlegen können. Ihr einziges Sinnen und Trachten war darauf ausgelegt, vom Pascha ein Dokument zu bekommen, das Justins Identität ein für alle Mal bewies. An Details, wie sie das bewerkstelligen sollte, hatte sie nicht gedacht.
Die Tür ging auf, und Kate begriff, dass sie nicht einmal daran gedacht hatte, wie sie sich verhalten sollte, wenn sie den Pascha tatsächlich traf – wie es gerade der Fall war.
Zögernd stand sie auf. Der Kodex hätte erfordert, dass sie vor ihm auf die Knie fiel. Allerdings befanden sie sich auf britischem Boden, und ihr Kleid samt Turnüre war nicht dazu angetan, eine derartige Ehrenbezeugung auszuführen. Also versank sie in einen tiefen Hofknicks, der auch der Queen höchstpersönlich angemessen gewesen wäre.
„Ich wollte Barsa nicht glauben, als er mir meldete, dass eine Engländerin mich sprechen wollte, deren Name Leila ist“, hörte sie Karim sagen. Sie hob den Kopf, ohne sich jedoch aus ihrem Knicks zu erheben.
„Karim Pascha“, erwiderte sie förmlich. „Es freut mich, Euch wohlbehalten anzutreffen.“
„Oh, ja, Leila, das glaube ich dir aufs Wort.“
Der Spott in seiner Stimme war nicht zu überhören, und sie blickte wieder zu Boden. Er hatte ihr nicht gestattet sich zu erheben, also musste sie in ihrer unbequemen Haltung verharren.
„Ich denke, du hast einen guten Grund, hierher zu kommen – nachdem du dich heimlich aus meinem Palast gestohlen und Zuflucht auf einem Schiff gesucht hat, das dich ans andere Ende der Welt brachte. Für weitere Höflichkeiten besteht also keine Notwendigkeit. Sag einfach, was du willst, vielleicht bin ich gerade in der Stimmung, dir deinen Wunsch zu erfüllen.“
Vielleicht aber auch nicht. Sie hörte die unausgesprochenen Worte und wünschte, sie hätte die ganze Sache diplomatischer angefangen. Wie viel klüger wäre es gewesen, wenn sie ihm auf einem öffentlichen Empfang einen Wink gegeben und charmant mit ihm geplaudert hätte, um erst nach und nach zur Sache zu kommen. Aber diese Chance hatte sie vertan.
„Karim Pascha, Ihr seid bekannt für Eure Großmütigkeit.“ Sie wagte es, ihn bei diesen Worten anzusehen. Wie Serena festgestellt hatte, war er ein überaus attraktiver Mann und sie vermutlich die einzige Frau, die ihm jemals Widerstand geleistet hatte. Sein Mund verzog sich bei ihren Worten spöttisch, aber er sagte nichts. „Und Eure Großmütigkeit erlaubte es Euch, einen Gefangenen Eures Bruders nach langen Jahren freizulassen.“
Jetzt runzelte er die Stirn, und Kate fuhr fort: „Doch die Familie dieses armen Mannes spielte ein falsches Spiel. Die Angehörigen waren nicht glücklich, als er nach England zurückkam, denn das bedeutete, dass der rechtmäßige Anwärter auf Titel und Besitz wieder da war. Man hatte vielmehr gehofft, er würde in der Gefangenschaft sterben, weshalb sie auch den Lösegeldforderungen nicht nachkamen.“
„Etwas Derartiges hatte ich vermutet, deshalb ließ ich ihn frei. Er
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