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Flucht aus Katmandu

Titel: Flucht aus Katmandu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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wahrscheinlich ganz ähnlich aus. Sobald das Spektakel begann, sollten wir zwei Mörsersalven abfeuern, dann um die Bäume hervorkommen, die Taschenlampen auf unsere Gesichter richten, um etwas unterbewußte negative Werbung zu betreiben, und uns wieder hinter die Bäume zurückziehen, damit wir nicht von etwaigen Schüssen getroffen wurden.
    Ein toller Plan. Obwohl George nicht viel davon hielt. Und als er die Felsbrocken aus seinem Rucksack nahm, um unseren Mörser zu laden, war er noch weniger beeindruckt. »Freds, was ist das? Siehst du das? Diese Steine, sie sind blau! Sind sie nicht blau?« Er richtete eine Sekunde lang seine Taschenlampe auf sie. »Freds, das sind Türkise!«
    Er lief zwischen den Bäumen her, holte den Colonel ein und zerrte ihn zurück. »Colonel, wieso zum Teufel bombardieren wir diese Burschen mit Türkisen?«
    Der Colonel hatte schon eine besonders groteske Dämonenmaske aufgesetzt, doch irgendwie wurde offensichtlich, daß das wilde Grinsen der Maske dem auf dem Gesicht darunter entsprach. »Wunderschön, nicht wahr?« sagte der Colonel. »Sie kommen aus ihren Kasernen gelaufen und sehen überall dieses Zeug liegen und werden denken, daß der Himmel einstürzt. Sie werden vor Furcht glatt durchdrehen.«
    Keine Antwort von George.
    Schließlich schüttelte er heftig den Kopf, wobei die Maske verrutschte, und sagte mit gedämpfter Stimme: »Colonel, ist Ihnen nicht in den Sinn gekommen, daß Sie, wenn Sie diese Burschen mit Türkisen bombardieren, dann machen Sie es ihnen bestimmt schwer, morgen früh daran zu glauben, daß sie von den Chinesen angegriffen worden sind …«
    Doch bevor er seine Frage zu Ende bringen und seine Maske zurecht schieben konnte, war der Colonel schon wieder weg und hatte den Pfiff gegeben, der das Signal für den Angriff war. Einer der Khampas, der eine Maske trug, die besonders häßlich war, hatte sich zu einem der Fenster geschlichen, das Gesicht vor das Fenster gehoben, mit der Taschenlampe in das Zimmer und dann auf seine Maske geleuchtet und laut losgekreischt, und das war das Zeichen für uns alle, unsere Mörser abzufeuern, in einer aufeinanderfolgenden Salve, die etwa eine halbe Minute dauerte. Der Khampa am Fenster schleppte seinen Arsch wieder in die Deckung der Bäume, und die Schützen eröffneten das Feuer und ballerten aus allen Barackenfenstern heraus, und dann pfiffen ein Dutzend Mörserladungen Türkise aus dem Himmel, und zumindest ein paar davon knallten auf die Metalldächer, die unter den Aufschlägen fürchterlich zu dröhnen anfingen. Und die ganze Zeit über tanzten wir Dämonen zwischen den Bäumen und ließen das Licht unserer Taschenlampen auf die Masken blitzen, und aus dem Inneren der Baracke erklangen Schreie der sinnlosen Panik, die das Herz des Colonels noch mehrere zukünftige Inkarnationen lang wärmen würden.
    Also lief alles zumindest ein paar Minuten lang hervorragend, doch leider ließ sich einer der Dämonen von seiner Begeisterung überwältigen und lief zu der nächsten Baracke, um in ein zerbrochenes Fenster zu starren; wahrscheinlich verspürte er eine dämonische Unbesiegbarkeit, die jedoch leider fehl am Platze war, denn jemand aus der Kaserne schoß auf ihn. Er fiel zu Boden, und da George und ich ihm am nächsten waren, liefen wir auf die Lichtung und hoben ihn hoch. Sein rechter Arm war blutverschmiert, und ich hatte den Eindruck, daß er starke Schmerzen hatte, bis mir wieder seine Maske einfiel. Schwarze Wolken waren am Himmel aufgezogen, und es war pechschwarz geworden, schwärzer konnte es nicht mehr werden, und es schneite heftig, und überall erklangen Schüsse, und unser dämonischer Gefährte deutete gerade an, daß er allein gehen könne, als bumm!, überall um uns herum Steine zu Boden fielen. Wir wurden von unseren eigenen Leuten unter Beschüß genommen. Ich bekam einen schweren Treffer auf die Schulter und den Rücken ab, und der Khampa auf die Seite, doch George hatte es am schwersten erwischt. Zum Glück neigten die Türkis-Kanonenkugeln unseres Colonels dazu, schon beim Abfeuern in tausend Splitter zu zerbrechen, so daß sie eher wie Schrot denn wie Bowlingkugeln herunterkamen. Dennoch landeten genug davon auf George, daß er zusammenbrach, gefällt von dem Rohmaterial für mehrere Dutzend Türkis-Ohrringe.
    Das Zeug schnitt ihm die Haut an Hinterkopf und Schultern auf, und er konnte von Glück sprechen, die Maske zu tragen, denn die fing die meisten Treffer ab. Auch ihn erwischte es schwer. Nun

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