Flucht aus Lager 14
Schlichtung zu, die für Nordkorea einen fast vollkommenen Sieg bedeutete. Sie taten es, wie Juristen feststellten, weil sie törichterweise Verträge unterschrieben hatten, in denen sie sich dem nordkoreanischen Recht unterwarfen. Nach der Schlichtung sagten nordkoreanische Anwälte, es sei »absolut ungerecht«, zu behaupten, das Land habe Versicherungsbetrug begangen. Doch da der Fall in zahlreichen Medien im Ausland öffentlich gemacht wurde, waren die internationalen Rückversicherungsgesellschaften vor Nordkorea gewarnt, und die Betrügereien gingen zurück.
In dem Jahr, als Kim Kwang Jin daran beteiligt war, die Säcke mit 20 Millionen Dollar in bar von Singapur nach Pjöngjang zu schaffen, so erzählte er, zeigte sich Kim Jong Il hocherfreut.
»Wir bekamen einen Dankesbrief, und es gab eine große Feier«, sagte er und setzte hinzu, dass Kim Jong Il dafür gesorgt hatte, dass er und seine Kollegen Geschenke erhielten, darunter Südfrüchte, DVD -Player und Decken.
Obst, Elektrogeräte und Decken.
Diese dürftige Bezeugung diktatorischer Großzügigkeit ist aufschlussreich. Die Lebensstandards für die Oberschicht in Pjöngjang kann man nur nach den Maßstäben eines Landes luxuriös nennen, in dem ein Drittel der Bevölkerung chronisch unterernährt ist.
Die Eliten haben relativ große Wohnungen und können sich Reis leisten. Darüber hinaus haben sie als Erste ein Recht auf importierte Luxusgüter wie Obst und Alkohol. Doch für die Einwohner Pjöngjangs gibt es elektrischen Strom bestenfalls unregelmäßig, warmes Wasser ist nur selten verfügbar und Reisen außerhalb des Landes sind schwierig, ausgenommen für Diplomaten und vom Staat begünstigte Geschäftsleute.
»Eine Elitefamilie in Pjöngjang lebt nicht annähernd so gut – im Hinblick auf materielle Besitztümer, leibliches Wohl und Freizeitgestaltung – wie die Familie eines durchschnittlichen Angestellten in Seoul«, sagte mir Andrej Lankow, ein in Russland geborener Politikwissenschaftler, der in Pjöngjang studiert hatte und jetzt an der Kookmin-Universität in Seoul lehrt. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen in Südkorea ist 15-mal so hoch wie das im Norden – hier waren es 2009 nur 1900 Dollar. Zu den Ländern mit einem höheren Pro-Kopf-Einkommen gehören beispielsweise der Sudan, Kongo und Laos.
Die Kim-Familiendynastie bildet natürlich die Ausnahme. Auf Satellitenbildern stechen die Residenzen der Familie deutlich aus der trostlosen Landschaft Nordkoreas hervor. Sie unterhält mindestens acht Landhäuser, wie der ehemalige Koch und ein ehemaliger Leibwächter des verstorbenen Kim Jong Il in ihren Büchern berichtet haben. Fast alle haben Räume für Filmvorführungen, Basketballfelder und Schießstände, in manchen gibt es Hallenschwimmbecken und dazu Bowling- und Rollschuhbahnen. Auf den Satellitenbildern sieht man auch eine Pferderennbahn, einen Privatbahnhof und einen Aqua-Park.
Kim Jong Ils Privatyacht, die mit einem 50 Meter langen Schwimmbecken samt zwei Wasserrutschen ausgerüstet ist, wurde in der Nähe des Hauses in Wonsan fotografiert, das auf einer Halbinsel mit weißen Sandstränden gelegen ist und dem Vernehmen nach zu den Lieblingsaufenthaltsorten der Familie gehört. Wie der frühere Leibwächter beschreibt, fuhr Kim häufig dorthin, um Rehe, Fasanen und Wildgänse zu schießen. Alle seine Häuser wurden mit Importgegenständen aus Japan und Europa ausgestattet. Das Rindfleisch für die Familie kommt von einer Rinderzucht, die von Leibwächtern auf einem speziellen Hof betrieben wird, und ihre Äpfel stammen von einer organisch betriebenen Obstplantage, auf der Zucker, in Nordkorea eine knappe und teure Ware, in den Boden eingearbeitet wird, um das Obst süßer zu machen. 9
Die Privilegien der Abstammung fallen in der Kim-Familie besonders üppig aus. Kim Jong Il erbte die diktatorische Macht über Nordkorea von seinem Vater 1994 – die erste Erbfolge in der kommunistischen Welt. Zur zweiten Familiennachfolge kam es im Dezember 2011, nach Kims Tod im Alter von 69 Jahren. Sein jüngster Sohn Kim Jong Un wurde umgehend zum »Obersten Führer« von Partei, Staat und Armee ausgerufen. Obwohl es unklar war, wer wirklich die Macht übernahm, er selbst, seine älteren Verwandten oder aber die Generäle, schufen die Propagandaspezialisten quasi über Nacht einen neuen Personenkult. Kim Jong Un wurde in der Parteizeitung Rodong Sinmun als »der geistige Pfeiler und Leuchtturm der Hoffnung« für das Militär und das
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