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Flucht aus Lager 14

Flucht aus Lager 14

Titel: Flucht aus Lager 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Harden
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den meisten wohlhabenden Ländern ihren Höhepunkt in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts überschritten hatte, ist sie in Südkorea immer weiter gestiegen und hat sich seit 2000 verdoppelt. Die Selbstmordrate im Jahr 2008 war zweieinhalbmal höher als in den Vereinigten Staaten und signifikant höher als in Japan, wo die Selbsttötung in der Kultur des Landes tief verankert ist. Es hat den Anschein, als hätte sich der Selbstmord in Südkorea wie eine ansteckende Krankheit ausgebreitet, verstärkt durch den Ehrgeiz, den Wohlstand, den Zerfall der Familie und die Einsamkeit.
    »Wir sind nicht bereit, uns in dieser Depression helfen zu lassen. Wir haben große Angst davor, als Verrückte angesehen zu werden«, lautet die Diagnose von Ha Kyooseob, Psychiater am National University College in Seoul und Präsident der Koreanischen Gesellschaft für Suizidprävention. »Das ist die dunkle Seite unserer schnellen Entwicklung.«
    Obwohl die Belastungen des schnell erworbenen Wohlstands eine sehr weitreichende Erklärung die Gleichgültigkeit Südkoreas gegenüber Flüchtlingen aus Nordkorea wie Shin liefern, gibt es noch einen weiteren, wichtigen Faktor: die Spaltung der öffentlichen Meinung im Hinblick auf die Frage, wie man mit den Risiken umgehen soll, die sich aus der engen Nachbarschaft zu Nordkorea ergeben.
    Je nach politischer Wetterlage pendeln die Öffentlichkeit und die Regierung in Seoul zwischen gelassener Versöhnung und kontrollierter Konfrontation.
    Nach seinem Amtsantritt 2008 versteiften Präsident Lee und seine Partei die Haltung der Regierung gegenüber Nordkorea, brachen alle Hilfsmaßnahmen ab und stellten Nordkorea Bedingungen für eine Kooperation des Südens: Fortschritte in der atomaren Abrüstung und bei der Einhaltung der Menschenrechte. Diese Politik hatte einige Jahre lang eine angespannte Lage zwischen beiden Staaten zur Folge, mit Raketenangriffen, eingefrorenen Wirtschaftsabkommen, Schüssen an der Grenze und periodischen Drohungen eines »totalen Kriegs« gegen den Süden.
    Vor der Regierung Lee verfolgte die Politik der südkoreanischen Regierung das glatte Gegenteil dieser Linie. Entsprechend ihrer Schönwetterpolitik trafen sich die Präsidenten Kim Dae-jung und Roh Moo-hyun in Pjöngjang mit Kim Jong Il und sagten zu, umfangreiche Mengen von Nahrungsmitteln und Kunstdünger zu liefern. Darüber hinaus schlossen sie großzügige Wirtschaftsabkommen mit dem Norden. Diese Politik überging die Existenz der Zwangsarbeitslager und unternahm keinen Versuch sicherzustellen, dass die Hilfe auch tatsächlich bei den Bedürftigen ankam. Doch dafür erhielt Kim Dae-jung den Friedensnobelpreis.
    Die Schizophrenie Südkoreas im Umgang mit dem Norden äußert sich gelegentlich in einer Art Kabuki-Theater an der Grenze zwischen Nord- und Südkorea. Auf der südlichen Seite lassen Flüchtlinge Luftballons steigen, an denen Zettel mit Beschimpfungen gegen die Regierung der Kim-Dynastie befestigt sind. In der Vergangenheit haben sie zum Beispiel Kim Jong Il als Lüstling geschmäht, der teure Weine aus dem Ausland trinke und verheiratete Frauen verführe, als einen Mörder, Sklavenhalter und als »den Teufel«.
    Ich war einmal bei einer solchen Veranstaltung zugegen und konnte beobachten, wie die Polizei der Regierung Lee Mühe hatte, einen nordkoreanischen Flüchtling namens Park Sang Hak vor wütenden Unionisten und akademischen Intellektuellen zu schützen, die darauf bestanden, die einzig statthafte Politik bestehe darin, gegen Nordkorea keine Drohungen auszustoßen.
    Bevor sich die Veranstaltung auflöste, trat Park einen der Gegendemonstranten direkt gegen den Kopf und bespuckte einige andere. Er zog einen Gasrevolver aus seiner Jacke und schoss damit in die Luft, bis Polizisten ihm die Waffe abnahmen. Er schaffte es nicht, seine Gegner daran zu hindern, den größten Teil der gegen Nordkorea gerichteten Flugblätter zu zerreißen.Am Ende gelang es Parks Gruppe nur einen einzigen von ihren zehn Ballons fliegen zu lassen, und Zehntausende Flugblätter lagen auf dem Boden verstreut.
    Shin und ich trafen uns zum ersten Mal einen Tag nach dieser missglückten Ballonaktion. Er war nicht dabei gewesen. Straßenkämpfe waren nicht seine Sache. Er hatte sich alte Filme angesehen von der Befreiung nationalsozialistischer Vernichtungslager durch die Alliierten. In einer Sequenz sah man Bulldozer, die Leichen ausgruben, die von den Deutschen noch in den letzten Kriegstagen vergraben worden waren.
    »Es

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