Flucht aus Oxford
Brosche.
»Darf ich Ihnen eines meiner Stücke zeigen?«, fragte der junge Mann.
»Nein, danke«, lehnte Roz ab. »Wir schauen uns nur um.«
In der entstehenden Pause dachten alle drei fieberhaft darüber nach, wie sie das Thema Donna anschneiden konnten.
»Haben Sie überhaupt schon zu Mittag gegessen, junger Mann?«, erkundigte sich Roz mit ihrer mütterlichsten Stimme. »Ich stelle mir das ziemlich schwierig vor, wenn man so ganz allein an einem Stand steht.«
»Ich muss eben warten, bis hier Schluss ist«, antwortete Graham, falls es sich um Graham handelte.
»Oh, da hätte ich einen Vorschlag«, verkündete Roz. »Was hielten Sie davon, wenn sich meine Tochter Kate für eine halbe Stunde an Ihren Stand setzen würde, und unser lieber Freund, Reverend Tim Widdows, und ich Sie zum Pub auf der anderen Straßenseite begleiten und Ihnen ein Bier und eine Kleinigkeit zu essen ausgeben?«
»Was soll das?« Der junge Mann sah sie an, als hätten sie alle drei den Verstand verloren.
»Heißen Sie vielleicht Graham?«, fragte Tim, der sich lieber Sicherheit verschaffen wollte, ehe sie sich auf irgendetwas einließen.
»Und wenn es so wäre?«
»Ich nehme an, das können wir als ein ›ja‹ ansehen«, sagte Kate.
»Es ist so, dass wir unbedingt mit Ihnen reden müssen, Graham«, versuchte Roz, den jungen Mann zu überzeugen.
»Sie dürfen uns ruhig vertrauen«, mischte sich Tim ein. »Wir wollen uns wirklich nur mit Ihnen unterhalten.«
»Findet ihr nicht, dass wir uns ziemlich nach Mafia anhören?«, gab Kate zu bedenken.
»Haut ab, oder ich rufe den Sicherheitsdienst.« Graham warf ihnen einen finsteren Blick zu.
»An Ihrer Stelle würde ich das nicht tun«, sagte Roz vertraulich. »Ich sähe mich sonst gezwungen, die Herkunft des Rings mit den Diamanten und Smaragden vorn in der Vitrine überprüfen zu lassen. Ich fürchte, das würde einigermaßen unerfreulich für Sie ausgehen und möglicherweise zu wenig schmeichelhaftem Gerede über ihr Warenangebot führen.« Roz hatte ihr mütterliches Gebaren völlig abgelegt und sprach mit erstaunlich boshafter Stimme.
»Sind Sie von der Polizei?«
»Ganz und gar nicht. Und wir wollen mit Ihnen auch nur über eine gemeinsame Freundin sprechen.«
»Aber ich kann den Stand nicht allein lassen. Ich würde zu viel dabei verlieren. Schließlich habe ich zwanzig Pfund Standgebühr hinblättern müssen, die müssen erst wieder reinkommen.«
»Ich sagte Ihnen doch schon, dass meine Tochter sich in der Zwischenzeit um Ihren Stand kümmert. Sie ist vernünftiger, als sie auf den ersten Blick wirkt.«
»Warum muss ausgerechnet ich den Stand übernehmen? Warum nicht Tim?«
»Weil er sein Kollar trägt. Wir wollen doch nicht zu viel Aufsehen erregen, nicht wahr?«
»Außerdem glaube ich nicht, dass ich zum Verkäufer tauge. Ich übernehme lieber das Reden – darin bin ich nämlich ganz gut«, fügte Tim hinzu. »Also los, Kate. Sie werden das Kind schon schaukeln.«
»Na gut«, lenkte Kate ein.
»Habe ich etwa schon zugestimmt?«, ließ sich Graham vernehmen.
Roz nahm eine Zehn-Pfund-Note aus ihrer Geldbörse.
»Aber natürlich haben Sie das, liebster Graham. Und hiermit möchte ich Sie bereits im Voraus unserer Dankbarkeit versichern. In Ordnung?«
Graham sah Kate an. »Wissen Sie, was Sie tun müssen?«
»Ich lerne ziemlich schnell.«
»Der Preis steht jeweils dran. Händler bekommen dreißig Prozent Nachlass.«
»Ich denke, das kriege ich hin«, sagte Kate. »Und bringt mir bitte ein Schinkensandwich mit.«
Der Pub gegenüber stellte sich als anonym und sehr voll heraus. Sie zwängten sich in den Restaurantteil durch, und Tim ergatterte einen Tisch und drei Stühle.
»Ich besorge uns etwas zu trinken«, sagte er.
»Lassen Sie das lieber mich tun«, entgegnete Roz. »Ich habe ein Händchen für Barkeeper.«
In rekordverdächtiger Zeit kam sie mit Getränken und großen Mengen fettigen, ungesunden Essens zurück. Sie bedienten sich, und ein paar Minuten lang schwiegen alle und kauten.
»Worum geht es hier eigentlich?«, fragte Graham mit dem Mund voller Fertiggericht.
»Wir sind Freunde von Donna«, erklärte Roz.
»Von wem?« Die Frage klang nicht überzeugend.
»Donna Paige. Ihre Freundin aus Gatt’s Hill«, antwortete Roz. »Wir versuchen herauszufinden, wie sie gestorben ist. Wissen Sie, wir glauben nicht an das, was in den Zeitungen steht und von der Polizei angenommen wird.«
»Und wie kommen Sie zu der Vermutung, dass ich mehr wissen
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