Flucht aus Oxford
Gatt’s Hill zurück. Der Besuch bei Graham Peters war unbefriedigend verlaufen. Kalter Wind mit Regentropfen vermischt wehte ungehindert durch das zertrümmerte Fenster und zerzauste die Haare der beiden Frauen.
»Glaubt ihr, dass wir sein Leben in Gefahr gebracht haben?«, fragte Kate.
»Zumindest hat man ihn gewarnt, sich nicht mit uns abzugeben; da bin ich ganz sicher«, sagte Tim.
»Vielleicht hat man ihn auch vor anderen Dingen gewarnt«, gab Roz zu bedenken.
»Glaubt ihr, dass die betreffenden Leute erfahren könnten, dass wir noch einmal zurückgekommen sind?«, erkundigte sich Kate.
»Selbst wenn es so wäre: Er hat uns nichts Neues gesagt. Im Grunde hat er gar nichts gesagt.«
»Hoffen wir, dass derjenige, der ihn angegriffen hat, das ebenfalls glaubt«, sagte Tim.
»Das Problem besteht darin, dass wir Graham umso mehr in Gefahr bringen, je näher wir diesem Raben kommen«, sagte Roz langsam. »Graham ist erst in Sicherheit, wenn wir scheitern.«
»Aber wir werden nicht scheitern«, sagte Kate.
»Wenn ich Graham wäre, würde ich abhauen«, erklärte Tim.
»Vielleicht hat er das längst getan«, gab Roz zu bedenken.
Den restlichen Weg nach Gatt’s Hill legten sie in tiefem Schweigen zurück.
»Kommen Sie doch morgen zu einer Krisensitzung vorbei, Tim«, lud Roz den Pfarrer ein, als sie die ersten Lichter des Dorfes sahen. »Ich glaube, wir müssen uns Klarheit über die Situation verschaffen. Die Dinge entwickeln sich nicht ganz so, wie wir es erwartet haben.«
»Morgen sind Sie an der Reihe, mich zu besuchen«, antwortete Tim. »Kommen Sie um vier zum Tee. Ich werde uns frische Schokoladenkekse besorgen.«
Sie setzten Tim am Pfarrhaus ab, wo er sich seinen abendlichen Sonntagspflichten zu widmen hatte. Kate und Roz kehrten ins Crossways Cottage zurück, wo sie die Sonntagszeitungen erneut über das gesamte Wohnzimmer verteilten. Nach ihrem Besuch bei Graham erschien ihnen das Cottage besonders warm und heimelig. Sie bereiteten sich ein Abendessen zu und verzehrten es in freundschaftlichem Schweigen vor dem bullernden Holzofen. Nach dem Spülen kehrten sie zu ihren Zeitungen zurück.
Das Telefon klingelte. Das geschah in diesem Haus so selten, dass Roz und Kat sich fast erschrocken anschauten.
»Ich gehe schon«, sagte Kate.
Kaum eine Minute später kehrte sie zurück. »Aufgelegt!«, verkündete sie. »Natürlich habe ich gleich die 1471 angerufen, doch ich konnte nur erfahren, dass der Anruf von einem öffentlichen Fernsprecher kam. Natürlich habe ich trotzdem versucht, dort anzurufen. Leider hat niemand abgehoben.«
»Konntest du an der Nummer erkennen, wo das Telefonhäuschen ist?«
»Auf jeden Fall kam der Anruf aus Oxford. Möglicherweise East Oxford.«
»Graham vielleicht?«
»Wenn er es war, hat er seine Absicht schnell geändert.«
»Oder er ist unterbrochen worden.«
»Vielleicht hat sich einfach jemand verwählt«, sagte Kate und kehrte zu ihrer Zeitung zurück.
Beide schwiegen eine Weile.
»Ich glaube, wir sollten uns allmählich mit der Frage nach dem Motiv beschäftigen.« Nur mit Mühe riss sich Kate von einem Artikel über Wildwasser-Rafting los.
»Meiner Meinung nach hat das Zeit bis morgen Nachmittag«, erklärte Roz. »Könntest du mir bitte die Rubrik ›Spaß im Rentenalter‹ reichen?«
Kate hatte ein kleines Päckchen aus ihrer Handtasche geholt und inspizierte es sorgfältig. »Wie zum Teufel ist Donnas Anhänger an den Stand von Chaz geraten?«
20
Am nächsten Morgen machten sich Roz und Kate auf, das Seitenfenster des VW reparieren zu lassen. Die Fahrt auf der Umgehungsstraße war noch einmal ziemlich windig, und beide freuten sich, als das Auto endlich wieder über alle Fenster verfügte. Von der Werkstatt aus fuhren sie zum Supermarkt und füllten den Kofferraum mit Vorräten. Anschließend verbrachten sie eine gemütliche Mußestunde in einem Café, ehe sie nach Crossways Cottage zurückkehrten und sich dem Mittagessen widmeten.
»Zeit für ein Schläfchen und ein anspruchsloses Buch, ehe wir zu unserer Einladung zum Tee aufbrechen«, erklärte Roz und machte sich auf den Weg in ihr Schlafzimmer. »Unser Leben war in den letzten Tagen ziemlich anstrengend, findest du nicht?«
»Auf mich wirkte es eher stimulierend«, entgegnete Kate, die selbst darauf brannte, in ihrem Buch zu schmökern. Sie streckte sich auf ihrem angestammten Sofa aus, den Kopf an einem Ende, die Füße (selbstverständlich ohne Schuhe) am anderen, ihr Buch in der Hand, und
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