Flucht aus Oxford
schloss die Augen.
Das Wetter draußen wurde langsam kälter, doch im Cottage war es warm und behaglich. Weder Kate noch Roz verspürten große Lust auf lange Spaziergänge. An diesem Nachmittag erschienen zwei ausgesprochen entspannte Damen zum Tee im Pfarrhaus.
Tim hatte, wie Kate sofort auffiel, aufgeräumt und sogar den Teppich gesaugt. Auf dem Tisch lagen nicht mehr so viele Aktenordner herum, dafür standen Tassen und Teller für die Gäste bereit. Auf einem der Teller lagen Schokoladenkekse. Als Kate und Roz eintrafen, setzte Tim den Wasserkessel auf.
»Aus ihm könnte eines Tages durchaus eine gute Ehefrau werden«, flüsterte Kate ihrer Mutter zu.
»Ganz im Gegensatz zu dir«, gab Roz zurück.
»Hier ist Ihr Tee«, sagte Tim und reichte die Tassen weiter. »Sie sollten aufhören, sich ständig zu streiten. Sie geben mir ja ein schlechtes Beispiel!«
»Vielleicht leben wir schon zu lange zusammen«, entgegnete Roz.
»Du bist doch noch nicht einmal eine Woche hier!«, rief Kate aufgebracht.
»Bedienen Sie sich bei den Keksen«, forderte Tim seine Gäste auf. »Und dann sollten wir mit unserer Lagebesprechung anfangen.«
»Ich habe meine Notizen mitgebracht«, sagte Kate. »Soll ich sie kurz überfliegen?«
»Es wäre vielleicht keine schlechte Idee, noch einmal sämtliche Fakten Revue passieren zu lassen.« Tim nickte. »Vielleicht fällt uns irgendetwas auf, was wir bisher übersehen haben.«
Kate las ihre Aufzeichnungen laut vor. Die beiden anderen hörten aufmerksam zu.
»Nun?«, fragte sie, als sie fertig war. »Irgendwelche neuen Erkenntnisse?«
»Nein«, erwiderte Roz. »Alles klingt wohlbekannt.«
»Aber mir ist etwas aufgefallen, als ich meine Notizen gestern Abend noch einmal durchgesehen habe«, sagte Kate. »Wir haben uns doch immer wieder gefragt, wieso Donna ausgerechnet in Gatts Farm sterben musste. Ich habe auch gestern noch einmal darüber nachgedacht.«
»Und? Hast du eine Antwort gefunden?«
»Nein, aber möglicherweise liegt es daran, dass wir die Frage falsch gestellt haben. Vielleicht sollten wir lieber fragen, warum Donna überhaupt sterben musste .«
»Wie meinen Sie das?«, wollte Tim wissen.
»Was war das Motiv für ihren Tod, oder sollten wir lieber sagen: ihre Ermordung? Wir sind bisher davon ausgegangen, dass wir, wenn wir ihren Freund, den Raben finden, gleichzeitig den Mörder haben. Die Vorstellung, dass Menschen häufig von ihren liebsten und engsten Mitmenschen ermordet werden, ist inzwischen ein Allgemeinplatz. Aber aus welchem Grund? Selbst ein Ehemann oder eine Ehefrau braucht ein Motiv. Warum hat jemand Donnas Tod gewünscht? Sie war nur eine Gärtnerin, die gern auf Antikmärkte ging. Sie hatte ein paar Freunde und eine kleine Wohnung in einer Sozialsiedlung. Wo liegt das Motiv für ihre Ermordung? Wenn wir uns nicht der im Dorf vorherrschenden Meinung anschließen wollen, die da besagt, dass die Bewohner von Broombanks Diebe und Mörder und alle jungen Frauen Nutten sind, die ohnehin nur das bekommen, was sie verdienen, dann bleibt uns nur die eine, grundlegende Frage: Warum? «
»Eifersucht«, schlug Roz vor. »Sie hat einem Mann wegen eines anderen den Laufpass gegeben, und der erste wurde mörderisch eifersüchtig.«
»Geld«, sagte Tim. »Vielleicht hat sie auf einem der Märkte etwas gekauft, was viel Geld wert war. Jemand hat es gestohlen, und der Mörder wollte sie zum Schweigen bringen.«
»Was kann man ihr schon gestohlen haben? Ihren Anhänger? Wir haben ihn für einen Fünfer und ein paar Zerquetschte zurückgekauft.«
»Vielleicht etwas anderes. Etwas, von dem wir nichts wissen. Etwas, was sie sofort als wertvoll erkannte, aber für ganz wenig Geld erstanden hat. Immerhin war es ihr sehnlichster Wunsch, eines Tages reich zu sein. Vielleicht wollte sie auf diese Weise zum Ziel kommen.«
»Vielleicht wusste sie zu viel«, mutmaßte Roz. »Wie Graham. Nur dass man sie nicht nur verprügelt, sondern gleich ermordet hat.«
»Apropos Graham«, sagte Kate. »Ich mache mir ernsthafte Sorgen um ihn. Haben wir ihn in irgendetwas hineingezogen?«
»Geht mir ebenso«, pflichtete Tim ihr bei. »Ich frage mich, was wir ihm mit unserem Besuch angetan haben.«
»Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass er ein Unschuldslamm ist«, wandte Roz ein. »Wahrscheinlich ist er nicht zum ersten Mal in Schwierigkeiten. Bestimmt kann er auf sich selbst aufpassen.«
»Aber wir sind einfach so in sein Leben eingebrochen und haben ihm mit der Polizei gedroht, ohne
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