Flucht aus Oxford
einmal um. »Und wenn Sie vernünftig wären, würden Sie sich nicht dauernd mit diesem Stenz von Pfarrer abgeben.«
»Stimmt etwas nicht mit ihm?«, fragte Kate überrascht.
»Ich vertraue ihm nicht. Hinter der braven Fassade hat er es faustdick hinter den Ohren.«
»Was meinen Sie? Wissen Sie etwas über ihn?«, hakte Kate nach.
»Mehr möchte ich nicht sagen. Nur, dass Sie bei ihm vorsichtig sein sollten.«
Mit dieser düsteren Andeutung ging er.
»Was hältst du davon?«, fragte Roz.
Sie hatten schweigend im Wohnzimmer gesessen und über Russells Mitteilungen nachgedacht.
»Eigentlich glaube ich ihm, was er über Graham gesagt hat. Wenn es aber stimmt, hat die Sache eine erheblich größere Tragweite, als wir ursprünglich angenommen haben. Sollte Donna tatsächlich mit Drogenhandel zu tun gehabt haben, dürfte uns die Sache über kurz oder lang über den Kopf wachsen.«
»Würde es denn wirklich so viel an der Sachlage ändern?«
»Glaubst du etwa nicht? Wir hätten es mit Banden zu tun, die obendrein noch gewalttätig sein könnten. Kein Wunder, dass Graham so viel Angst hatte. Er wird gewusst haben, warum.«
»Ob es Graham war, der kürzlich abends versucht hat, uns anzurufen?«
»Wozu hätte er uns anrufen sollen? Ich glaube eher, dass es Russell war, der vom öffentlichen Apparat im Dorf aus telefoniert hat.«
»Sollen wir unsere Nachforschungen vielleicht lieber aufgeben?«, fragte Roz.
Kate dachte kurz nach. »Nein«, sagte sie dann. »Ich glaube, ich gehe jetzt nach oben und vervollständige meine Notizen. Nicht, dass wir etwas von dem vergessen, was Russell uns erzählt hat.«
»Bist du nicht auch der Ansicht, dass wir jetzt lieber die Polizei einschalten sollten?«
»Wir haben Russell versprochen, es nicht zu tun.«
»Stimmt! Lass uns also noch ein bisschen weitermachen. Die Polizei bleibt uns schließlich immer noch als letzter Ausweg. Warum lächelst du?«
»Ich habe mir gerade vorgestellt, was ein mir bekannter Polizist zu deiner letzten Äußerung sagen würde.«
»Du versetzt mich immer wieder in Erstaunen. Nie hätte ich gedacht, dass du persönliche Kontakte zu Polizisten pflegst. Was hältst du übrigens von Russells Warnung vor unserem guten Tim Widdows?«, wollte Roz wissen.
»Ich finde, nachdem er nicht deutlicher geworden ist, sollten wir uns darüber keine Gedanken machen.«
»Nur die üblichen dörflichen Vorurteile gegenüber einem Neuankömmling?«
»Vielleicht«, erwiderte Kate vage.
»Na, hoffentlich behältst du recht. Findest du es angebracht, mit ihm zu diesem Dinner ins Leicester zu fahren?«
»Wir sind doch dort nicht allein! Tony Fuller und die anderen Dozenten nehmen ebenfalls teil. Sicherer und langweiliger kann ich es kaum antreffen.« Und damit ging sie nach oben, um ihre Aufzeichnungen auf den neuesten Stand zu bringen.
22
»So also zieht man sich an, wenn man in einem College in Oxford zum Abendessen eingeladen ist«, sagte Roz am Mittwochabend um sechs Uhr. »Ich hatte schon überlegt.«
Kate trug einen kurzen schwarzen Rock mit farblich passender Strumpfhose und Lackschuhe mit mittelhohem Absatz. Ihr Blazer war kanariengelb; ihr Schmuck bestand aus einer goldenen Halskette und einem Paar grauenhafter Ohrringe.
»Die Ohrringe gefallen mir«, erklärte Roz. »Wie kommt ihr nach Oxford?«
»Irgendwie habe ich mich breitschlagen lassen, zu fahren«, antwortete Kate. »Tim murmelte etwas davon, sich nicht zu trauen, in Oxford herumzukurven und keinen Parkplatz zu finden, und da habe ich mich eben angeboten.«
»Dann wissen wir also immer noch nicht, ob er einen klapprigen Fiesta oder einen Porsche fährt«, sagte Roz. »Hoffentlich macht ihm deine Art, auf dicht befahrenen Straßen einen Parkplatz zu suchen, nichts aus. Er scheint ganz gute Nerven zu haben – er wird es schon aushalten.«
»Bloß weil kürzlich zwischen mir und dem nächsten Auto höchstens noch zwei Zentimeter Platz waren, brauchst du keine unfreundlichen Bemerkungen über meine Fahrweise zu machen!«
»Du hast leider vergessen, den Winkel zu erwähnen, in dem du zu dem Wagen standest!«
»Welchen? Den horizontalen oder den vertikalen?«
Glücklicherweise klopfte es in diesem Augenblick an der Eingangstür, und sie beendeten ihre Kabbelei.
»Es ist Tim«, sagte Roz, als sie mit dem Pfarrer zurückkam.
»Ich dachte, ich sollte Sie wenigstens abholen, wenn Sie schon fahren«, wandte er sich an Kate.
»Sie sehen sehr schick aus. Ist das Ihr bester Anzug?«
»Kate! So
Weitere Kostenlose Bücher