Flucht aus Oxford
etwas fragt man nicht!«
»Aber er ist es tatsächlich«, gab Tim zu. »Kann ich so gehen?«
»Da die meisten Dozenten vermutlich fleckiges Kammgarn unter einer Robe aus den Sechzigerjahren tragen werden, sollten Sie sich keine Sorgen machen. Ich selbst bin total overdressed. Frauen tragen normalerweise graue, handgestrickte Jacken, einen Tweedrock und Tennisschuhe zur unvermeidlichen Robe.«
»Mit Kate in einer solchen Laune werdet ihr beide sicher einen sehr netten Abend verbringen. Wenn sie sich danebenbenimmt, schicken Sie sie ohne Nachtisch nach Hause, Tim.«
»Der Nachtisch ist das Beste an einem College-Dinner in Oxford. Keine Sorge, ich werde mich benehmen.«
»Kommen Sie«, drängte Tim, »wir sollten uns auf den Weg machen. Immerhin müssen wir noch einen Parkplatz finden.«
In die untergehende Abendsonne hinein führte ihr Weg auf einer schmalen, mit jungen Pappeln in goldenem Herbstlaub gesäumten Landstraße nach Westen. In den Hecken wucherten die welken Skelette von Wiesenkerbel und wilden Karotten. Als sie von Headington Hill in die Ebene hinunterfuhren, wurde es langsam dämmerig. Die Türme und Zinnen der Colleges in der Stadt erhoben sich wie graue Schemen über das dunkle Blau der Bäume. Nachdem die Geschäfte und Büros eines nach dem anderen ihre Lichter löschten, leuchteten die alten Gebäude in ihrem eigenen Licht und dominierten die Stadt, wie sie es schon seit Jahrhunderten taten. Der vom Zahn der Zeit angegriffene goldene Sandstein konnte Kates Herz immer noch mit seiner Schönheit anrühren. Sie wollte nach Oxford zurückkehren, und zwar bald.
An der ersten Ampel bog Kate rechts ab.
»Um diese Zeit sollte in der Mansfield Road etwas frei sein«, sagte sie und fuhr von der Stadtmauer weg an den hohen Betonklötzen der Wissenschaftlichen Fakultät vorbei.
»Wusste ich es doch!«, frohlockte sie, als sie ihrer Meinung nach sehr elegant in eine großzügige Parklücke zurücksetzte.
»Finden Sie nicht, dass wir ziemlich weit vom Bürgersteig entfernt stehen?«, fragte Tim, nachdem sie ausgestiegen waren.
»Oh, das geht schon«, gab Kate zurück. »Die Straße ist schön breit. Da kommt sogar ein Feuerwehrauto durch, wenn es sein muss.«
»Na, wenn Sie meinen«, sagte Tim beim Anblick des fast einen Meter breiten Abstands zwischen dem Vorderreifen und der Bordsteinkante.
»Das Hinterrad steht etwas näher dran«, verteidigte sich Kate. »Kommen Sie! Niemand wird merken, dass wir es waren, wenn wir schnell genug verschwinden.«
»Ein wundervoller Abend«, schwärmte Tim, als sie die breite, baumbestandene Straße in Richtung Leicester entlangschlenderten.
»Aber man sieht nicht so viele Sterne wie in Gatt’s Hill«, erwiderte Kate, selbst überrascht von dieser Feststellung.
»Und ich dachte immer, Sie wären mit Leib und Seele eine Großstadtpflanze.«
»Das dachte ich auch. Und ich werde es auch sicher wieder. Irgendwann fällt das Stroh aus meinen Haaren, und ich werde wieder in städtischen Farben erstrahlen.«
»Habe ich Ihnen eigentlich schon gesagt, wie gut Sie aussehen?«
»Bisher noch nicht. Danke.«
»Natürlich sehen Sie immer attraktiv aus.«
»Ach wirklich?« Kate überlegte, wie sie das Gespräch wieder auf das Thema Auto bringen konnte. Sie war immer noch neugierig, was für eine Art fahrbaren Untersatz Tim sein Eigen nannte. »Aber meine Fahrkünste sind nicht so ganz Ihr Ding, nicht wahr?«
»Zumindest sind sie weniger aufregend als die Ihrer Mutter«, entgegnete Tim diplomatisch.
»Fahren Sie selbst auch Auto?«, fragte Kate so unschuldig wie möglich.
»Ich? Natürlich habe ich einen Führerschein. Aber sind Sie nicht auch der Meinung, dass wir alle dafür verantwortlich sind, in einer Stadt wie Oxford die Schadstoffemissionen so niedrig wie möglich zu halten? Die Kohlenmonoxydwerte liegen im Sommer deutlich über den von der EU festgelegten Grenzen. Es liegt in den Händen von uns Privatverbrauchern, unsere Umwelt zu schonen.«
»Ja, aber …«, begann Kate.
»Wir sind fast da«, unterbrach Tim sie. »Wo sollen wir Tony treffen?«
»Am Pförtnerhaus«, antwortete Kate, die sehr wohl wusste, dass Tim sich an den Treffpunkt erinnerte. Warum war er so erpicht darauf, das Thema zu wechseln? »Wir nehmen den Eingang an der Park Road, nicht wahr?«
»Genau. Sie kennen also das College?«
»Nicht besonders gut«, antwortete Kate unverbindlich. »Ich bin keine Akademikerin, wissen Sie.«
»Wirklich nicht? Sie könnten aber durchaus eine
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