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Flucht in die Hoffnung

Flucht in die Hoffnung

Titel: Flucht in die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Rothkamm
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aufgepasst. Die Kleine
schlief unruhig, ich hatte sie überreizt. Der Kinderwagen war kaputt, ich hatte
ihn ungeschickt geschoben. Und natürlich schmeckte mein Essen nie.
    Keinesfalls wäre ich auf die Idee gekommen, Farid zu widersprechen,
als er einen tunesischen Pass für Emira beantragen wollte. Da sie von einer deutschen
Mutter in Deutschland geboren war, besaß sie einen deutschen Pass. Ich war der
Meinung, dass dieser genügte, aber offenbar war es wichtig für Farid. Emira war
seine Tochter, und damit war Tunesien ihr zweites Heimatland – und wenn ihn
diese bürokratische Angelegenheit glücklich machte, wollte ich ihm nicht im Weg
stehen.
    Ach, wie war ich dumm! Ich dachte nicht im Entferntesten daran, dass
die Frage des Passes einmal zur wichtigsten überhaupt werden könnte, mit der
Farid entsetzliche Macht über mich ausüben sollte. Ich betrachtete das Ganze
als Ausflug auf die Botschaft nach Düsseldorf – und auf dem Heimweg würden wir
die Omas besuchen.
    Wie immer schaffte Farid es, ihnen Geld zu entlocken, denn er hatte
doch so großes Heimweh. So lange hatte er seine Familie schon nicht mehr gesehen.
    »Da solltet ihr euch mal einen Urlaub gönnen«, meinte meine Oma
gutmütig und wendete sich an mich. »Wo er so brav Deutsch gelernt hat, der Farid.«
    Dankbar fühlte er meiner Oma den Puls.

VIELE HÄUSER, VIELE MESSER
    Emira war acht Monate alt, als sie das erste Mal tunesische
Luft atmete. Seit ihrer Geburt nahm ich eine andere Stellung in Farids Familie
ein. Einerseits wurde ich als Mutter mit offenen Armen empfangen – war dies
nicht die Berechtigung meiner Existenz? Andererseits war ich nun völlig an die
Frauen der Familie gekettet, da ich mit dem kleinen Kind nirgendwo allein
spazieren gehen sollte. Haram . Eine Frau allein geht
nicht irgendwohin. Wenn sie das Haus verlässt, hat sie ein Ziel: die Schule,
ihren Arbeitsplatz. Ansonsten widmet sie ihr Leben dem Mann und den Kindern.
    Ich akzeptierte all die Einschränkungen der tunesischen Kultur, mit
der ich verschmelzen wollte, während ich mich in Farids Heimatland aufhielt.
Ich sehnte mich so danach, angenommen zu werden. Fühlte mich schrecklich allein
gelassen, hatte ich doch keine Freunde hier und vermisste meinen Vater, meine
Schwester und unsere Omas. Es fiel mir schwer, meinen Ehemann während der
Besuche bei seiner Familie wie einen Fremden zu behandeln. Ich durfte nicht
neben Farid sitzen, sollte ihn ignorieren, und das schaffte ich nicht klaglos,
wie es von mir erwartet wurde. Als wir noch glücklich miteinander gewesen
waren, war es schon schwer genug gewesen. Jetzt aber zerrte dieses Gefühl von
Distanz an meinen Nerven. Einmal konnte ich meine Tränen nicht zurückhalten und
folgte ihm heimlich zur Toilette.
    »Farid«, schluchzte ich, »wir sind doch ein Paar, ich fühle mich so
allein …«
    »Du bist hysterisch. Du weißt, dass das haram ist«,
sagte Farid und ließ mich stehen.
    Ich rannte ihm nach. Und dann geschah etwas. Geschah das wirklich,
geschah es mir? Meine Nase blutete. Auch meine Seele blutete. Meine Augen waren
blind vor Tränen. Da machte ich das Haram noch viel
schlimmer und rannte mit Emira im Kinderwagen auf die Straße. Ich lief und lief
und lief. Emira wurde kräftig durchgeschüttelt auf diesen schlechten Wegen, sie
schrie gellend. Längst hatte ich die Orientierung verloren, als ich einen
Polizisten entdeckte. Atemlos hetzte ich auf ihn zu. Endlich jemand, der mir
helfen würde.
    Er sah mich, verzog abschätzig das Gesicht und drehte sich weg. Ich
lief um ihn herum. Wieder drehte er sich weg. Da rannte ich weiter, und nun
fiel mir erst auf, dass alle, die mir begegneten, wegschauten; der Bürgersteig
wurde immer holpriger, der Staub auf den Straßen schmutziger, keuchend blieb
ich stehen.
    Wo war ich? Wohin sollte ich?
    Wie herbeigezaubert radelte Farid mir entgegen.
    »Da bist du ja. Wir wollen essen. Kommst du?«
Seine Stimme klang, als wäre nichts vorgefallen. Seelenruhig saß er auf dem
Rad. Winkte einem vorbeifahrenden Auto entgegen, betrachtete seine Fingernägel.
    »Was?« Entgeistert starrte ich ihn an.
    »Du willst meine Familie doch nicht warten lassen?«,
fragte er und verzog das Gesicht zu einer Miene des Kummers.
    »Nein, selbstverständlich nicht.«
    Als wir im Haus seiner Familie eintrafen, wusch ich mich zuerst
einmal. Ich sah wirklich abschreckend aus mit dem Blut im Gesicht. Doch wenn
ich einer Frau in meinem Zustand begegnet wäre, hätte ich ihr meine Hilfe
angeboten, anstatt

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