Flucht in die Hoffnung
nicht sicher, ob Mohamed
mich richtig verstanden hatte. Ich erklärte ihm, dass ich den Hund keineswegs
komplett abgeben, sondern ihn mehrmals in der Woche besuchen wollte, ich könne
aber keine regelmäßigen Tage nennen. Kurzum, ich suchte lediglich einen Platz,
wo der Hund gut aufgehoben war, eine Art Pension, und wenn wir diesen Handel
machten, wollte ich, dass Mohamed mir ein Blatt Papier unterschrieb, auf dem er
sich einverstanden erklärte, den Hund ohne meine Zustimmung weder zu verkaufen
noch anderweitig wegzugeben.
»Ja«, sagte er. Seine warmen braunen Augen mit den langen Wimpern
schauten mich freundlich an, dann zwinkerte er Emira verschwörerisch zu.
»Ja dann!« Ich hob die Arme, ließ sie wieder fallen. Dass etwas auch
einmal einfach sein konnte!
Oder hatte ich Mohamed überrumpelt? Traute er sich nicht, meine
Bitte abzuweisen? Ich fragte noch einmal, und er versicherte mir in seinem
holprigen Englisch, dass er sich von Herzen freue, Elsa zu übernehmen.
Emira und ich pilgerten nun, so oft es uns möglich war, zu Mohamed.
Elsa drehte jedes Mal völlig durch vor Begeisterung, uns zu sehen, und einmal
fragte ich mich, ob nicht doch ein bisschen Kampfhund in ihr steckte, so wild
begrüßte sie uns. Ihr Wesen war stets freundlich, und ihr zuzusehen, wie sie am
Strand entlangfetzte, war die reinste Freude.
Ich hatte Mohamed alle Utensilien für den Hund gebracht. Elsa war
bestens ausgestattet mit Körbchen, Bällen, Bürste, Zeckenzange, Halsbändern und
Leine – und einen europäischen Pass, blau mit einem Kreis aus Sternen vorne
drauf, besaß sie auch. Den musterte Mohamed staunend. Ja, in Deutschland hatten
auch Hunde Pässe!
»Möchtest du einen Kaffee?«, fragte
Mohamed mich eines Tages.
»Gern.«
Das Kaffeetrinken wurde bald zu einer festen Einrichtung, wenn Emira
und ich Elsa abholten. Sie begrüßte den Hund im Hof und spielte ein bisschen
mit ihm, ich unterhielt mich derweil mit Mohamed, bevor wir zu einem langen
Spaziergang aufbrachen. Er war der älteste Sohn einer Berberfamilie, die aus
den Bergen stammte und diesen kleinen Gemüseladen betrieb. Mohamed ging ganz in
seinem Laden auf. Ich spürte seine Liebe zu frischem Gemüse, das er stets
achtungsvoll berührte. Nie warf er etwas grob in einen Korb. Es schien ihm
jederzeit bewusst zu sein, dass er mit Nahrung hantierte. Er hatte sehr schöne
und gepflegte Hände, und ich schaute ihm gern dabei zu, wie er seine Ware dekorierte.
Eines Tages lehnten wir nebeneinander an einer Wand in seinem Laden.
Es war sehr heiß. Mohamed griff in einen Sack vor sich und nahm eine Handvoll
frischer grüner Mandeln heraus. Eine nach der anderen knackte er mit seinen
kräftigen Zähnen und reichte mir die kleinen Kerne wortlos. Ich nahm sie
entgegen. Sie schmeckten köstlich.
ALTE LIEBE ROSTET
Auch wenn die Wochen nach unserem Wiedersehen unter einem
guten Stern gestanden hatten, war ich nicht mehr so naiv zu glauben, Farid
könne sich wirklich geändert haben. Seine Härte, was Elsa und damit auch Emira
betraf, war eines der Zeichen dafür. Noch immer spürte ich Distanz ihm gegenüber,
und mir gefiel manches nicht, das ich sah.
Als Arzt verlor Farid bei mir bald immer mehr an Ansehen. Immer
wieder musste ich mit anhören, wie manche seiner Kollegen sich damit brüsteten,
den »Abschaum« wieder einmal erfolgreich abgewiesen zu haben. »Da darf man sich
nicht beeindrucken lassen, wenn einer laut jammert und sagt, er hätte kein Geld.«
Ich verstand durchaus, dass alle von etwas leben mussten und dass
auch Farid nicht alle Patienten kostenlos versorgen konnte, doch durch seine
Tätigkeit im Hotel hatte er sehr viele wohlhabende Patienten, die zumeist vom
Ausland aus privat versichert waren. Es bestand also kein Grund, Menschen in
Not rigoros abzuweisen, sie bedrohten wahrhaftig nicht unsere Existenz.
Der Posten als Hotelarzt war sehr begehrt und hatte ein hohes
Renommee. Farid kämpfte mit harten Bandagen gegen die Konkurrenz und riss sich
im Lauf der Zeit mehrere Goldgruben, sprich: Hotels unter den Nagel. Hin und
wieder fielen Bemerkungen, aus denen ich schloss, dass mein Mann nicht beliebt
war, was mich nicht wunderte. Er hatte sich sehr verändert, interessierte sich
offenbar nur noch für Geld – oder war das schon immer so gewesen, und ich hatte
es einfach nicht gesehen, weil ich es nicht sehen wollte?
Wenn wir abends in einem schicken Hotel beim Essen saßen,
beglückwünschten mich manche Touristinnen. »Sie haben ja so einen tollen
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