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Flucht in die Hoffnung

Flucht in die Hoffnung

Titel: Flucht in die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Rothkamm
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blieb uns dieser Fluchtweg versperrt.
Keinesfalls wollte ich meine Kinder in Gefahr bringen. Also die Botschaft,
dachte ich. Mit dem Bus machten wir uns auf den langen Weg nach Tunis, rund 450
Kilometer lagen vor uns. Zum Glück schlief Elias meistens. Emira und mir war
klar, dass die Polizei uns jede Sekunde verhaften konnte. Einige Male wurde der
Bus auch angehalten. Meine Tochter und ich waren jedes Mal wie gelähmt vor
Angst. Unsere Hände zitterten, und mir brach der Schweiß aus. Doch wir hatten
Glück, die Polizei sprach immer nur mit dem Fahrer. Unsere Nerven aber lagen
blank. Plötzlich kreischte Emira aus dem geöffneten Fenster hinaus: »Mama!
Polizei!«
    Der Kopf des Polizisten, der neben einer Ampel stand, ruckte herum.
Er erblickte Emira, gab einem Kollegen ein Zeichen, der Bus wurde angehalten
und wir zum Aussteigen aufgefordert. Emira schrie wie am Spieß. Sie hatte
Todesangst und konnte sich nicht mehr beruhigen. Natürlich schrie Elias nun auch.
Und ich? Ich konnte bloß noch weinen. Ich war völlig erschöpft. Was den
Polizisten egal war. Einen ganzen Tag lang wurde ich verhört.
    Wo kommen Sie her?
    Wo wollen Sie hin?
    Wer ist der Vater der Kinder?
    Wir bekamen nichts zu essen, nur Wasser. Ich zeigte alle meine
Papiere vor, am wichtigsten hierbei das Sorgerecht für Emira.
    Wo kommen Sie her?
    Wo wollen Sie hin?
    Ich erzählte meine ganze Geschichte mindestens vier Mal. Wegen der
Verständigungsschwierigkeiten dauerte es länger, obwohl ich mittlerweile recht
gut Tunesisch sprach. Immer wieder musste ich von vorn erzählen, da ständig
höhere Beamte auftauchten, die alles wieder ganz genau wissen wollten.
    Wo kommen Sie her?
    Wo wollen Sie hin?
    Endlich durfte ich meinen Anwalt anrufen. Er erklärte mir, dass es
darum gehe, ob mir Emira jetzt auf der Stelle weggenommen werde oder ich mit
ihr weiterfahren dürfe. Offenbar war das Sorgerecht in der Zwischenzeit Farid
zugesprochen worden. Und ich hatte nichts davon erfahren!
    Die Telefone zwischen dieser staubigen Kleinstadt im Irgendwo und
Tunis liefen heiß. Ich hatte Panik, doch schließlich stellte sich heraus, dass
Farid ein Formfehler unterlaufen war. Er hatte es versäumt, mich zu
benachrichtigen, als er den Antrag auf das Sorgerecht stellte. Insofern war
dieses Verfahren ungültig, und die Polizisten sollten mich freilassen. Denn das
einzige Vergehen, das mir nachgewiesen werden konnte, hatte gar nichts mit mir
zu tun, sondern mit Emira. Sie wollte ihren Vater nicht sehen, was sie jedes
Mal unbeirrbar wiederholte, wenn sie gefragt wurde, so auch auf dieser
Polizeidienststelle. Ein Kind, das den Vater nicht sehen will, kann nicht
gezwungen werden, ihn zu sehen, auch wenn er das Sonn- und Feiertagsbesuchsrecht
hat. Als dies alles endlich erschöpfend geklärt war, änderte sich das Verhalten
der Polizisten schlagartig. Sie entschuldigten sich, wir bekamen zu essen, und
sie organisierten einen Wagen mit Chauffeur, der uns nach Tunis brachte.
    Mit den Nerven am Ende, fielen wir weit nach Mitternacht in unser
Hotelbett. Am nächsten Tag erinnerte ich mich an einen freundlichen Beamten aus
einem Ministerium, der mir in meiner Autosache geholfen hatte. Ich rief ihn an.
Camel hatte auch eine kleine Tochter, die er über alles liebte, und nahm sich
meiner ein zweites Mal an. Wir trafen uns in einem Café, und er hörte mir
aufmerksam zu, als ich ihm meine Leidensgeschichte erzählte. Obwohl ich
polizeilich nun nicht mehr gesucht wurde, fühlte ich mich verfolgt und hatte
große Angst.
    Camel besorgte uns zuerst einmal ein besseres Hotel in Tunis.
Außerdem kümmerte er sich darum, dass mein Verdacht überprüft wurde. Nach zwei
Tagen meldete er mir: »Ja, es stimmt, ihr werdet verfolgt. Jeder eurer Schritte
wird überwacht.«
    »Aber wer steckt dahinter?«
    Camel zuckte mit den Schultern.
    Ich weiß bis heute nicht, ob Farid uns verfolgen ließ oder die
Behörden – und ob zwischen beiden überhaupt ein Unterschied bestand. Doch es
war klar, dass wir nun noch schlechtere Karten für unsere Flucht hatten. Was
war nur aus dem Tunesien meiner Träume geworden? Dies war ein Überwachungsstaat,
es gab wie in der ehemaligen DDR Akten über viele
Bürger; wer in irgendeiner Form gegen die Regierung sprach, wurde beschattet,
womöglich gefoltert und ins Gefängnis gesteckt, des Landes verwiesen. Manchmal,
so hörte ich, verschwand auch jemand einfach so auf Nimmerwiedersehen.
    Camel riet uns, wegen des Passes beim Innenministerium
vorzusprechen, doch das

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