Flucht ins Glück: Das Geheimnis von Baxter Hall: Von den Eltern verstoßen (Frauenschicksale im 19. Jahrhundert) (German Edition)
gemacht zu haben. Angefangen hatte es mit der Ehe, zu der er sich von seinem Vater hatte drängen lassen. Nicht nur ihm war mit dieser Ehe Unrecht getan worden, sondern auch Ruth. Sie hatte bezaubernd an ihrem Hochzeitstag ausgesehen, doch nicht glücklich.
"Die Liebe kommt mit der Zeit", hatte sein Vater gesagt. "So ist es auch bei mir und deiner verstorbenen Mutter gewesen. Wir hatten uns vor unserer Ehe kaum gekannt."
Sein Blick glitt zu dem Porträt, das auf der Staffelei stand. Es war das letzte Bild gewesen, an dem er vor seiner Abreise nach Indien gearbeitet hatte. Er streckte die Hand aus und berührte zärtlich das Gesicht der jungen Frau, die ihm von der Leinwand entgegen lachte.
Vielleicht wäre zwischen ihm und Ruth alles in Ordnung gekommen, wenn er nicht an jenem verhängnisvollen Tag im Regent's Park Susan begegnet wäre.
War es wirklich ein verhängnisvoller Tag gewesen?
Er schüttelte den Kopf. Nein, gewiß nicht, denn seit diesem Tag wußte er, was es hieß, eine Frau mit jeder Faser seines Herzens zu lieben.
"Susan", flüsterte er niedergeschlagen und wandte sich vom Bild ab, um einen Blick aus dem Fenster zu werfen. Es war nicht gut, sich hier zu vergraben und in der Erinnerung an Susan zu leben. Auch in Indien war kaum ein Tag vergangen, an dem er nicht an sie gedacht hatte.
Wo mochte sie sein? Nachdem er vom Tod seiner Frau erfahren hatte, hatte er schriftlich einen Freund in London beauftragt, Susan aufzusuchen und ihr einen Brief von ihm zu übergeben. Sein Freund hatte ihm geschrieben, daß er nur mit ihrem Vater hatte sprechen können und dieser ihm gesagt hätte, seine Tochter sei verheiratet.
Er mußte Susan endlich aus seinem Gedächtnis streichen. Er durfte nicht weiterhin Tag für Tag an sie denken und sich ausmalen, wie anders sein Leben mit ihr verlaufen wäre.
Ich kann sie nicht vergessen, dachte er, ich will sie nicht vergessen!
Er kehrte zu Susans Bild zurück. Seine Gedanken wandten sich der jungen Frau zu, der er ab und zu im Haus oder im Park begegnete. Sie hatte etwas an sich, das ihn zutiefst berührte. Sein Gefühl sagte ihm, daß er sie kannte, auch wenn er nicht wußte, woher er sie hätte kennen sollen. Er war sich sicher, ihr noch nie zuvor begegnet zu sein.
Die Unruhe, die ihn ergriff, wenn er dieser jungen Frau begegnete, gefiel Andrew Baxter nicht. Er hatte schon überlegt, seinen Vater zu bitten, sie aus dem Haus zu weisen, was ihm jedoch lächerlich erschien. Zum einen, weil sie nur eine Näherin war, kaum mehr als eine Bedienstete, zum anderen, weil sie auf den Verdienst bei ihnen angewiesen sein würde.
Der junge Mann nahm Susans Porträt von der Staffelei und lehnte es an die Wand. Er hatte seit Jahren nicht mehr gemalt. In Indien hatte er weder Zeit noch Lust dazu gehabt. Im nachhinein bedauerte er es, denn es hatte einiges gegeben, was sich gelohnt hätte, auf die Leinwand gebannt zu werden.
Geschickt spannte er eine neue Leinwand auf einen Holzrahmen und stellte ihn auf die Staffelei. Er überlegte nicht lange, was er malen wollte. In Indien hatten es ihm besonders die Elefanten angetan gehabt.
Noch während Andrew die Farben für das Bild mischte, das er malen wollte, verließ ihn die Lust dazu. Der Pavillon erschien ihm mit einem Mal nicht mehr wie eine Zuflucht vor den Schrecken der Welt, sondern als Gefängnis. Ja, er war gefangen! Gefangen in seinen Gedanken an Susan und in einem Körper, der nicht mehr vollständig war. Warum hatte er überlebt? Warum war er nicht bei dem Überfall auf den Konvoi, den er mit einigen Kameraden begleitet hatte, getötet worden?
Andrew Baxter griff nach seinem Stock und verließ den Pavillon. Als er Tür und Fensterläden von außen schloß, fühlte er sich schon besser. Tief atmete er den Duft der Linden ein, die sich hinter dem Pavillon erhoben.
Sir Richard und sein jüngerer Sohn schauten überrascht auf, als Andrew den Salon betrat, wo sie beim Tee saßen. "Wie schön, dich zu sehen, Andrew", meinte der Hausherr. "Komm, setz dich zu uns." Er klingelte. Gleich darauf erschien der Butler. "Lassen Sie ein weiteres Gedeck und frischen Tee bringen, Mr. Damery", bat er.
"Wie Sie wünschen, Sir", antwortete Damery und ging hinaus.
"Wo ist Maud?" erkundigte sich Andrew und setzte sich an den Tisch. Einer der Gründe, weshalb er so selten am Tee teilnahm, war seine Schwägerin. Er hatte die Schwester seiner verstorbenen Gattin noch nie gemocht.
"Maud fühlt sich nicht besonders wohl. Sie hat sich hingelegt",
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