Flucht nach Avalon
nach unten. Zum Glück so langsam, daß beide Männer ausweichen konnten. Dabei stolperte Tadlock über ein Bein des Colonels, er fiel hin, und auch Olmos konnte sich nicht mehr halten, so daß schließlich beide am Boden lagen.
Es war genau der kurze Zeitpunkt, der über Leben und Tod entschied.
Der Ritter brauchte nur einmal mit einer Klinge schräg zuzuschlagen, um beide zu erwischen.
Sie hörten ihn.
Jeder seiner Schritte war wie ein Gongschlag bei einer Totenuhr, die allmählich ablief.
Bevor sich die Männer noch aufraffen konnten, schlug er zu.
Diesmal war die Klinge schneller, auch wenn sie nicht tödlich traf. Der Colonel hatte das Pech, oben zu liegen. Auch wenn er versuchte, sich klein zu machen. Das Schwert war schneller, und es war verdammt scharf.
Die Klinge sauste durch die Uniform und zog eine blutige Spur.
Olmos spürte den Schmerz nicht. Er stand unter einem Schock.
Aber er wußte, daß ein zweiter Schlag gezielter geführt werden würde, und dann gab es kein Entkommen mehr.
»Tadlock…« ächzte er.
Der Angesprochene tat sein Bestes. Verzweifelt bemühte er sich, seinen Chef aus der unmittelbaren Gefahrenzone zu ziehen. Er hielt ihn an den Schultern fest und zerrte ihn nach hinten, aber der Ritter würde schneller sein.
Er stand vor ihnen.
Wieder bewegte er sich relativ langsam, und wieder wuchtete er sein Schwert hoch.
Dabei ging er noch einen Schritt nach vorn, um die genaue Position zu erreichen.
Beide Männer sahen ihn. Ihre Gesichter waren verzerrt, die Angst hatte ihre Zeichen darin geschrieben. Der kalte, endgültige Tod schwebte unmittelbar vor und über ihnen.
Da geschah das Wunder!
Keiner wußte zu sagen, ob sich die Klinge schon auf dem Weg nach unten zu ihnen befand, doch für den Bruchteil einer Sekunde umzuckten Blitze die Gestalt des Ritters, die sich wie eine Aura um die Rüstung legten und dafür sorgten, daß er verschwand.
Er war plötzlich weg.
Einfach so…
Tadlock atmete saugend die Luft ein. Er schüttelte den Kopf und flüsterte: »Das gibt es nicht. Das kann nicht wahr sein. Das ist… das ist nicht möglich…«
Dann sah er das Blut auf der Uniformjacke des Colonels. Und dies wiederum machte ihm klar, daß die killende Rüstung keine Halluzination gewesen war…
***
Nadine Berger also!
Mein Gott, wie oft hatte ich mir die Begegnung gewünscht, sie herbeigesehnt, um endlich Fragen stellen zu können. Doch, wo es soweit war, da stand ich da wie ein Schuljunge in der Prüfung, der keinen Ton hervorbringen konnte. Ich war geschockt!
Ich konnte es nicht fassen. Sie hatte den Dunklen Gral. Sie war wohl durch das Tor geschritten und hatte ihn geholt, obwohl er mir gehörte.
Daß sie ihn stehlen wollte, kam mir nicht in den Sinn. Sie mußte etwas anderes damit vorhaben.
Noch immer verließ kein Laut meine Kehle. Ich merkte nicht einmal den frischen Wind, ich sah auch nicht mehr den Turm, alles verschwamm vor meinen Augen zu einer einzigen braungrünen Soße, aus der sich nur die Gestalt der Nadine Berger abhob.
Sie sah eigentlich aus wie immer.
Das lange Haar leuchtete in einem rötlichen Ton. Wenn die Sonne darauf schien, warf es sogar Reflexe. Sie war normal angezogen, trug Jeans, Stiefel, eine braune Winterjacke mit einem Kragen aus künstlichem Fell. Es erinnerte auch nichts mehr an ihr an die Wölfin, die sie einmal gewesen war, da stand ein normaler Mensch vor mir, der eine Hölle hatte hinter sich lassen müssen, um wieder die Erlösung zu finden.
Die Erlösung als Mensch.
Leider als ein Mensch, dem unsere Welt nicht mehr paßte, der sich zurückgezogen hatte.
In Avalon hielt sie sich auf. Aber sie konnte auch durch das Tor wieder in die normale Welt treten.
Ein magisches Wunder…
»John«, hörte ich ihre Stimme. Auch sie hatte sich nicht verändert. Sie klang so völlig normal, wie sie eigentlich immer geklungen hatte. Es war einfach wunderbar. »Was stehst du da herum? Komm zu mir. Oder willst du dir deinen Gral nicht zurückholen?«
Natürlich wollte ich das. Ich wollte es ihr auch deutlich sagen, aber das schaffte ich nicht mehr. Meine Kehle war zu, regelrecht ausgedörrt und wund.
Deshalb nickte ich nur.
Dann ging ich los.
Sehr langsam und zögernd. Vor meiner Brust bewegte sich das Kreuz bei jedem Schritt. Vor mir lag das Tor. Es kam mir kleiner vor als beim Hinweg. Die Stützen schienen zusammengewachsen zu sein, und ein kalter Schauer lag auf meinem Rücken.
Ich durchschritt das Tor.
Für einen Moment wehte mir etwas
Weitere Kostenlose Bücher