Flucht nach Colorado
verschwinde doch einfach. Ich bleibe hier und halte ein Auge auf Collins."
„Ich dachte, ihm geht es gut. Er braucht doch keine weitere medizinische Betreuung mehr."
„Wahrscheinlich nicht." Sie mied Jordans Blick und machte eine abwehrende Handbewegung. „Geh schon. Verschwinde endlich."
Er hatte keine Zeit, sich mit ihren Launen abzugeben. Es konnte einen ganzen Tag in Anspruch nehmen, herauszufinden, worüber eine Frau sich ärgerte. Lynette hatte manchmal stundenlang nicht mit ihm gesprochen, während er versuchte zu erraten, womit er sie beleidigt haben könnte. Allerdings hatte er von Emily solche Spielchen nicht erwartet. „Du kommst mit mir."
„Warum sollte ich?"
Er spürte, dass sie etwas Bestimmtes hören wollte, aber er hatte nicht die geringste Ahnung, was, also platzte er mit dem erstbesten Argument heraus, das ihm einfiel. „Wegen unserer Vereinbarung. Du hast versprochen, bis zum Ende des Tages bei mir zu bleiben."
„Wuffz, wuffz", bellte Pookie bestätigend.
„Nun gut, ich habe dir mein Wort gegeben", sagte Emily langsam. „Und das halte ich auch."
„Dann lass uns aufbrechen."
Jordan ging vor, kletterte den steilen, gewundenen Weg, der zum Mammoth Rock führte, hinauf, was mit seinen neuen Schuhen deutlich weniger anstrengend war. Obwohl sie schon vor Tagesanbruch losmarschiert waren, verschwanden seine Schmerzen, und sein Hirn fing wieder an zu arbeiten. Allerdings konnte er sich nicht auf die Flucht konzentrieren. Er musste immerzu über Emily nachdenken. Irgendwann in der Zeit zwischen seinem Auftauchen und dem Anprobieren der neuen Stiefel hatte er etwas Falsches gesagt oder getan. Irgendwie war es ihm gelungen, diese blonde Zeitbombe mit den grünen Augen zum Ticken zu bringen.
Er hätte gerne gewusst, wie, hatte jetzt aber keine Zeit, es herauszufinden. Nicht im Moment.
Auf dem Gipfel von Mammoth Rock angekommen, sah er den Jeep des Polizisten mit dem Wappen des Sheriffs an der Tür. Emily lief zur Fahrerseite.
„Warte", rief er. Wenn er in Aspen überhaupt etwas gelernt hatte, dann sicher und schnell durch die Haarnadelkurven und kleinen Seitenwege zu fahren. Zwar war er bei Schneefall nicht sonderlich geübt, aber die Straßen waren trocken. „Ich fahre."
„Wenn du meinst." Sie lief ums Auto herum zur Beifahrerseite. „Hast du vor, den Jeep kurzzuschließen?"
„Ist nicht nötig." Er langte in seine Jackentasche und zog einen Schlüsselbund hervor.
„Ohne es zu wissen, hat mir Deputy Collins sehr geholfen."
Jordan setzte sich hinters Lenkrad und drückte den Rücken in die Lehne des Sitzes, die zwar nicht die bequemste war, sich aber, nachdem er die ganze Zeit auf Steinen gesessen hatte, besser anfühlte als die eines Rolls Royce. Was für eine Erleichterung es war, nicht mehr laufen, zu müssen. Allerdings konnten sie nicht weit fahren. Sobald sie den verletzten Hilfssheriff gemeldet hatten, mussten sie den Jeep, nach dem sofort gefahndet werden würde, irgendwo stehen lassen.
Er zog Emilys Funksprechgerät aus dem Rucksack. „Ich stelle es so ein, dass du mit der Polizei sprechen kannst. Nenn deinen Namen, sag ihnen, dass ich dich als Geisel habe, und beschreibe ihnen, wo Collins liegt."
„Ich sollte ihnen außerdem sagen, dass sie einen Helikopter brauchen, um ihn zu bergen."
„Werd nicht redselig", warnte er. „Sonst gibst du vielleicht aus Versehen zu viele Informationen preis. Das kann ganz schnell gehen."
„Verstanden", sagte sie knapp.
„Und außerdem solltest du dich anschnallen, Emily."
Er startete den Jeep, legte den Rückwärtsgang ein und wendete. Mit dem Vierradantrieb war es leicht, den schmalen, holprigen Weg zu bewältigen. Als er auf eine zweispurige Straße einbog, sagte er: „Ruf an."
„Jetzt schon?" fragte sie.
„Ich würde lieber bis morgen warten", entgegnete er. „Aber ich möchte nicht, dass der arme Collins zu lange dort im Freien rumliegt."
Während sie mit der Polizei sprach, drückte er das Gaspedal durch und nahm die scharfen Kurven mit hoher Geschwindigkeit. Er wollte so viel Abstand zwischen sich und die Suchtrupps bringen wie nur möglich. Jordan warf einen Blick auf den Tacho. Sie waren bisher vier Meilen gefahren. Das war noch längst nicht weit genug.
Der Jeep sauste die kurvenreiche Straße hinab. Auf einer relativ geraden Strecke entlang eines Flusses gab er richtig Gas. Neun Meilen.
Er bog schleudernd in eine Abzweigung ein. An einer verlassenen Hütte stellte er den Jeep nahe an der Wand unter dem
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