Flucht nach Colorado
an ihn und vergrub das Gesicht an seiner Brust.
Er hielt ihren bebenden Körper fest, dankbar, dass es ihr gut ging. Zugleich war er traurig darüber, dass er sie in diese lebensgefährliche Flucht hineingezogen hatte. Der Stress war zu groß für sie. „Bist du in Ordnung, Em? Rede mit mir."
„Ich kann mich erinnern." Sie sprach mit dem dünnen Stimmchen eines verängstigten Kindes. „Es ist zwar nicht möglich, aber ich kann mich erinnern."
Der Arzt hockte sich neben sie, das Gewehr noch immer in der Hand, aber ohne zu zielen.
Mit sanfter Stimme sagte er zu ihr. „Ich bin's, Emily. Spence. Schau mich an, bitte."
„Tu Jordan nichts." Sie klammerte sich an ihn. „Bitte, Spence. Du musst ihm helfen. Er ist unschuldig."
Jordan, der sie noch immer im Arm hielt, ließ Spences bohrenden Blick über sich ergehen.
Er sah eigentlich viel zu jung aus, um Arzt zu sein, doch seine feierliche Miene gab seinem Auftritt mehr Gewicht. Er taxierte Jordan ausführlich, bevor er eine Entscheidung traf.
Dann legte er bedächtig das Gewehr auf den Boden. „Ich glaube dir, Emily. Du hast noch nie gelogen."
Diese stille Demonstration von Loyalität fand Jordan beeindruckend. Schließlich hätte er ein kaltblütiger Mörder sein können, so wie ihn die lokalen Zeitungen beschrieben. Spence hatte keinen Grund, Emily zu glauben. Und doch tat er es. Spence Cannon zum Freund zu haben musste großartig sein.
Er stand auf, ging zu einem Tisch und stellte zwei Klappstühle davor. „Bringen Sie sie rüber. Ich würde sie mir gerne einmal ansehen."
„Komm, Emily." Jordan drängte sie, aufzustehen. „Wir müssen sichergehen, dass alles in Ordnung ist."
Sie lockerte ihre Umarmung und ließ sich von ihm auf die Füße helfen. Sie zitterte nicht mehr. Mit gesenktem Kopf versuchte sie, seinem Blick auszuweichen.
Er streichelte ihre Wange und hob liebevoll ihr Kinn. Sie kniff die Augen ein wenig zusammen. Doch als sie endlich zu Jordan hochblickte, waren ihre grünen Augen dunkel. Ihre Wimpern flatterten, als sie versuchte, wieder Fassung zu gewinnen.
„Was ist passiert?" fragte er.
„Ist schon in Ordnung." Sie verzog den Mund zu einem nervösen Lächeln. „Mir geht's gut."
„Davon will ich mich selbst überzeugen", sagte Spence. „Nun beweg dich schon, Emily Foster. Setz dich auf den Stuhl. Und zwar sofort."
Sie gehorchte seufzend. Jordan beobachtete, wie Spence ihre Reflexe überprüfte und eine ganze Reihe von Fragen stellte. Obwohl sein Verhalten äußerst professionell war, war nicht zu übersehen, dass er sich große Sorgen machte.
Jordan fragte sich, warum die zwei nie ein Paar geworden waren. Beide arbeiteten in einem medizinischen Beruf, sie hatten viel gemeinsam, unter, anderem ihre Liebe für die Berge. Sie sahen sich sogar ein wenig ähnlich. Es kann nur einen Grund dafür geben, dachte er. Spence war mit einer anderen Frau zusammen.
Nachdem die Untersuchung vorüber war, fragte Jordan: „Gibt es eine Mrs. Spence?"
„Beinahe hätte es eine gegeben, aber es hat nicht funktioniert."
Dieser Kommentar sprach Bände. Im Verlauf eines Lebens gab es nach Jordans Ansicht für einen Mann Dutzende von Frauen, die alle auf ihre Art etwas ganz Besonderes waren.
Aber es gab nur eine einzige wahre Liebe, nur eine Seelengefährtin. Diese passte perfekt in das Leben eines Mannes, sie erfüllte seine Träume und war die Antwort auf all seine Fragen.
Jordan hatte von Anfang an gewusst, dass Lynette nicht seine Seelengefährtin war, aber mit der Zeit war er zynisch geworden, er hatte nicht mehr länger auf die perfekte Frau warten wollen. Er glaubte, dass sein Herz schon noch lernen würde, seine Frau zu lieben. Doch er hatte sich geirrt. Falls er diese Tortur hier überstünde, würde er denselben Fehler nicht noch einmal machen.
Emily lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, die Ellbogen fest an die Seiten gedrückt und den Kopf starr aufgerichtet. Obwohl sie in Ordnung zu sein schien, waren ihre Bewegungen merkwürdig eckig - fast so, als ob sie nicht in ihrem eigenen Körper wohnte. Sie hatte sich zu Tode geängstigt.
Erneut bereute Jordan, dass er sie in seinen ganz persönlichen Albtraum hineingezogen hatte. Das war egoistisch gewesen. Er beschloss, diesen Zustand so schnell wie möglich zu beenden. Sobald er gewiss sein konnte, dass sie in Ordnung war, wollte er sie in Spence'
Obhut zurücklassen.
„Mir geht es wirklich gut." Sie blickte zwischen den beiden Männern hin und her. „Wie oft muss ich euch das noch
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