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Flucht über den Himalaya

Flucht über den Himalaya

Titel: Flucht über den Himalaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Blumencron
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halt 100 Rupees für zwei Schlafsäcke pro Tag und für die Nacht noch 30 Rupees pro Schlafsack dazu.«
    Jetzt beginnt er zu lachen: »Du machst Witze !«
    Pema kontert überraschend scharf: »Du bist es, der hier schlechte Witze macht! Deine Schlafsäcke stinken wie alte Schuhe! Entweder du gibst sie uns für 10 Rupees am Tag plus Fleece-Inlay, oder wir sind sofort drüben bei der Konkurrenz und du bleibst auf deinen Wanzenkäfigen sitzen!«
    »O.k., o.k., 15 Rupees.« Der Verkäufer wirkt plötzlich noch ein Stückchen kleiner.
    Demonstrativ packe ich meine Einkaufsliste wieder ein.
    » 12 Rupees pro Woche!« ruft der Verkäufer.
    »O.k.«, sagt Pema, und ich fahre eilig mit meiner Einkaufsliste fort: »Schneebrillen, Taschenlampen, Gamaschen für die Schuhe, Sturmmützen, Rucksäcke, Trinkflaschen, Goretex-Handschuhe – ach ja, Brennspiritus und Töpfe für den Kocher, Zelte und Sonnencreme dürfen wir nicht vergessen!«
    »Hast du bum-cream?« fragt Pema den Verkäufer, während wir die Zelte des Nepalesen auf Löcher und Risse inspizieren.
    »Bum-cream? Du meinst wohl sun-cream!?«
    »Nein, ich meine bum-cream«, sagt Pema.
    »Was ist ›bum-cream‹?« frage ich Pema.
    »Creme für den Hintern. Wenn wir uns den wochenlang nicht abwischen können, brauchen wir die vielleicht dringender als Sonnencreme.«
    Nun kann sich der Nepali vor Lachen nicht mehr halten. Und das ist gut so. Denn wenn wir am Ende auch noch alle vorrätigen Kinderhandschuhe und Kindersocken aufkaufen, wird er uns zwar für vollkommen bekloppt halten, aber hoffentlich keinen Verdacht schöpfen.

Dhondup, der Sohn des Amchi
    » In Tibet hatte ich fünf Spielzeugautos! Mit Paala habe ich oft Karten gespielt. Und Fußball. Am Vormittag bin ich immer in die Schule gegangen. Aber die war sehr klein, und es gab nicht viele Lehrer. Mein Paala ist Amchi. Und mein Großvater ist auch Amchi. Wenn ich groß bin, möchte ich Schauspieler werden. Oder König. Meine Ama ist sehr schön. Aber sie kann überhaupt nicht tanzen. Mein Paala hat ein gutes Herz. Er hilft vielen Leuten. Ich vermisse meine Eltern. Denn sie lieben mich, und ich liebe sie … «
DHONDUP
    »Vielleicht sollten wir nach einem anderen Guide Ausschau halten. Der Winter ist fast um.«
    »Nein. Ich vertraue mein Kind keinem Fremden an.«
    »Und wenn Nima etwas zugestoßen ist?«
    »Niemals. Die Götter sind mit ihm.«
    »Und wenn doch?«
    »Dann bleibt der Kleine erst mal hier.«
    Heimlich dem Gespräch der Eltern zu lauschen ist wahrscheinlich nicht erlaubt. Außerdem ist es spätabends, und Dhondup sollte längst schlafen. Doch seit er weiß, daß er nach Indien gehen soll, ist es schwer, abends einzuschlafen. Jede Nacht könnte die letzte zu Hause bei Ama und Paala sein.
    »Er ist noch so klein«, hört er die Mutter zum Vater sagen. »Vielleicht sollten wir noch ein Jahr warten.«
    »Je älter er ist, desto schwieriger wird es in Dharamsala für ihn sein.«
    »Je kleiner er ist, desto mehr wird er beim Abschied weinen.«
    »Leicht ist es nie. Das weißt du.«
    »Ich bin seine Mutter. Ich werde entscheiden, wann er geht. Und ob überhaupt.«
    Beruhigt schließt Dhondup die Augen. Ama hat es sich also anders überlegt. Sie wird ihn bestimmt nicht nach Indien schicken.
    Schimi Tata, sein schwarzweiß gestreiftes Kätzchen, schnurrt leise. Zusammengerollt liegt es bei Dhondups Füßen. Wenn alle schlafen im Haus und Ama die letzte Kerze ausgeblasen hat, wird Schimi Tata vom Bett herunterspringen und auf leisen Pfoten durch die Dunkelheit schleichen. Sein Kätzchen spielt am liebsten in der Nacht und schläft dann mittags in der warmen Sonne.
    In der Schule ist Dhondup auch oft müde. Der Unterricht ist so langweilig. Lesen und Schreiben konnte er schon längst vor seiner Einschulung. Dhamchoe, sein älterer Bruder, hat es ihm beigebracht. Das zweite Schuljahr wird noch langweiliger werden. Dann werden sie nur noch auf Chinesisch unterrichtet, und er wird kein Wort verstehen. Dann wird es egal sein, ob er ausgeschlafen ist oder nicht. Dann kann er die ganze Nacht mit Schimi Tata spielen und tagsüber in der Schule schlafen! Dann sollten sie in der Klasse besser Betten statt Bänke aufstellen. Und statt ihrer Schuluniform könnten alle Kinder den gleichen Schlafanzug tragen. Der Lehrer auch: einen dunkelblauen Schlafanzug mit weißer Krawatte. Und wenn es warm ist, legen sie sich alle gemeinsam auf den Schulhof in die Sonne. So wie Schimi Tata. Und der Lehrer schnurrt im Schlaf auf

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