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Flucht über den Himalaya

Flucht über den Himalaya

Titel: Flucht über den Himalaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Blumencron
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wenn du wieder in die Berge gehst. Für diesen Job mußt du frei sein! Frei wie ein Vogel, der auf den Strahlen der Sonne die Berge hinauffliegt !
    Der Wind trägt Stimmen vom Berg herab. Schwach steigt die Rauchfahne eines kleinen Lagerfeuers in den Himmel. Als die Flüchtlinge näher kommen, sehen sie vier Drogpa, die im Windschutz eines großen Felsens hocken und die Hände an ihren Teetassen wärmen. Ganz arme Schlucker können es nicht sein, sie haben Yaks dabei, deren Hörner sogar mit bunten Bändern und Quasten geschmückt sind. Mit einem herzlichen ›Tashi Delek!‹ begrüßen sie die Flüchtlinge und laden sie ein, an ihrem Feuerchen Platz zu nehmen. Die Drogpa sind gutgelaunt, denn sie haben die Schneezone bereits hinter sich gelassen.
    »Heute ist was los! Ihr seid nicht die ersten, die wir treffen«, erzählt der älteste von ihnen. Silberne Strähnen ziehen sich durch seine ausgedünnten Zöpfe. Die alten Bänder, die sie zusammenhalten, waren einmal rot.
    »Sind noch andere Gruppen unterwegs?« fragt Nima besorgt.
    »Eine ganze Armee von Amdo-Mönchen hängt dort oben fest!«
    Nima und Suja wechseln einen kurzen Blick.
    »Haben sie einen kleinen Jungen dabei, der Tamding heißt?« fragt Suja.
    »Ja, da war auch ein Junge. Wie er heißt, weiß ich nicht.«
    »Und wie ging es dem Kleinen?«
    »Der Junge ist in Ordnung, aber die Mönche pfeifen aus dem letzten Loch!« Der Alte lacht und steht auf, um Schnee für frischen Tee zu holen. Weicher Firn schmiegt sich an die schattige Hinterseite des großen Felsens. An seinen Rändern tropft das Schmelzwasser auf den steinernen Untergrund. Nima gesellt sich zu dem freundlichen Drogpa, der mit bloßen Händen den nassen Schnee in seinen zerbeulten Teekessel schöpft. Wirklich alt ist er noch nicht – um die Vierzig vielleicht. Doch sein Gesicht ist gezeichnet von dem anstrengenden Leben in den Bergen und der starken Höhensonne.
    »Ein Freund will mich oben auf dem Paß erwarten. Er heißt Pema und kommt uns aus Nepal entgegen. Habt ihr ihn gesehen?« fragt Nima vorsichtig.
    »Einen Pema haben wir getroffen. Er hatte lange Haare und eine Nase wie ein junger Adler.«
    Das ist er, denkt Nima erleichtert.
    »Da war noch der dicke Vetter dabei – und eine Frau«, plappert der Drogpa weiter.
    »Eine Frau?«
    »Ja, eine Inji-Frau mit vielen Schlangenzöpfen und riesigen Schuhen.«
    »Weißt du, was sie in der Gegend zu suchen hat?«
    »Vielleicht ist es die Frau von diesem Pema. Sie hatten schweres Gepäck dabei. Wir haben ihnen geholfen, es raufzubringen.«
    »Was war da drin? Proviant?«
    »Wir haben nicht reingeschaut. Die haben uns anständig bezahlt.«
    »Meinst du, sie sind schon oben auf dem Paß?«
    »Kann sein. Außer, sie haben sich mit Schnaps vollaufen lassen. Es gibt drüben einen Sherpa, der verkauft nicht nur Chang. Bei dem bleiben viele hängen!«
    Pema bestimmt nicht, denkt Nima und gesellt sich wieder zu seinen Leuten.
    »Eßt ruhig alles auf, was ihr noch dabeihabt«, sagt er, als die Kinder zaghaft ihre letzten Reste aus den Proviantbeuteln kratzen – und erntet dafür erstaunte Blicke.
    »Oben auf dem Paß warten Freunde. Sie bringen Tsampa und Fleisch für uns.«
    Aufgeregt fangen die Kinder an zu kichern, und die trüben Blicke der Männer heitern sich auf. Genau das hatte Nima beabsichtigt. Er möchte, daß sie frohen Mutes in den Schnee hineingehen. Hoffnung ist immer der beste Motor, um schnell über den Paß zu kommen.
    » Es war so hart, immerzu zu gehen! Ich hatte mehr Angst vor den Chinesen als vor dem Schnee und den wilden Tieren. Auf dem ganzen Weg vermißte ich meine Mutter. Wenn ich keine Kraft mehr hatte weiterzugehen, dann konnte ich nichts anderes tun, als mich noch mehr anzustrengen.
    Die Berge waren manchmal sehr steil und die Wege so eng! Oft versperrten uns große Felsbrocken den Weg. Als wir ins Eis kamen, war es sehr rutschig. Und wenn ich in die Nacht hineinblickte, fürchtete ich mich vor der Dunkelheit. Wir Kinder hielten uns an den Händen und sangen ein Lied, wenn wir traurig waren. Gemeinsam kämpften wir uns über die hohen Berge, die steilen Wege und das tiefe Wasser, oft unter Tränen. «
CHIME
    Zunächst sind es nur schmale Felder aus weichem Firn, die sie überqueren müssen. Schließlich wachsen die Flecken zu einem großen weißen Teppich zusammen: Die Schneegrenze ist erreicht. Nima muß vermeiden, daß die Feuchtigkeit durch die dünnen Stoffschuhe der Kinder zieht. Denn nachts fallen die Temperaturen auf

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