Flucht vor den Desperados
Grund sein mag«, sagte er, während er den letzten Rest Sirup mit dem letzten Stück Pfannkuchen aufwischte, »ich glaube, dass die erste Person, die das Dokument im Recorder’s Office vorzeigt, einen Besitzanspruch auf den halben Berg und das Silber darin vorbringen kann. Kein Wunder, dass Walt so scharf darauf ist.«
»Was ist, wenn Belle mit dem Brief zum Recorder’s Office geht?«, fragte ich.
Dan De Quille zuckte mit den Schultern. »Dann gehört das Vermögen ihr.«
»Aber es ist doch mein Brief«, sagte ich.
»Dann holst du ihn dir wohl besser vor morgen früh zurück«, sagte Dan.
Zum dritten Mal an diesem Abend öffnete sich die Tür mit einem Knall.
Dan De Quille seufzte tief & sagte: »Joe, ich hab dir doch gesagt, du sollst die Tür nicht immer so aufreißen.«
Dann bemerkte ich, wie seine Augen groß wurden, während er über meine Schulter starrte. Ich drehte mich langsam um, und was ich sah, ließ auch mir das Blut in den Adern gefrieren.
Diesmal war es Walt, der Schnitzer. Und seine zwei üblen Kumpane waren bei ihm.
KONTOBUCHBLATT 21
Walt, der Schnitzer, stand in der Tür und schaute herein. Zum ersten Mal konnte ich sein Gesicht richtig erkennen. Er trug nicht mehr den hängenden Schnurrbart vom WANTE D-Plakat auf dem Tisch vor mir, aber ich erkannte ihn trotzdem an dem starken Geruch von Bay-Rum-Haarwasser, der den Raum erfüllte. Er hatte eisblaue Augen & eine gebrochene Nase & eine Narbe quer überm Kinn. Sein langer staubgelber Mantel verdeckte nur knapp einen Spezialgürtel, an dem zwei Holster angebracht waren: eines für seinen Colt’s Army Revolver mit dem Knochengriff & das andere für sein großes Jagdmesser. Ich war mir nicht sicher, aber ich glaubte, auch zwei blutige Skalps an seinem Gürtel hängen zu sehen.
Walt betrat den Raum, und ich konnte hören, wie die Sporen bei jeder Bewegung klirrten. Seine Kumpane folgten dicht hinter ihm. Der eine war groß & dürr und hatte den größten Adamsapfel, den ich je gesehen hatte. Später erfuhr ich, dass es sich um Dubois »Extra Dub« Donahue handelte. Der Kleine mit dem schielenden linken Auge &der kaputten Nase war der weinerliche Boswell »Boz« Burton, der Schurke, der Belle & mich durch Chinatown gejagt hatte.
Würde er mich in meiner Verkleidung als sittsames kleines Mädchen erkennen?
Ich schaute Dan an und sah, wie sein Blick von Walt zu dem WANTE D-Plakat und wieder zurück huschte.
Ich stellte meinen Teller auf das Plakat, damit Walt es nicht sehen würde.
Dies schien Dan De Quille aus seiner Erstarrung zu lösen. Er stand auf & sagte: »Kann ich euch helfen, Leute?« Er klang ruhig, aber ich war nah genug bei ihm, um zu hören, wie er schluckte.
»Yeah«, sagte Walt. Er kaute Tabak. »Wir wollen ein Verbrechen melden. Irgendwelche Indianer haben unten in Temperance den Priester umgebracht. Seine Frau auch. Ha’m sie beide skalpiert.«
»Verbrechen sollten Sie beim Büro des Marshals melden«, sagte Dan De Quille. Seine Fingerspitzen berührten den Tisch. Ich sah, dass sie zitterten.
»Der Marshal is nich da«, sagte Walt. »Sein Deputy auch nicht. Bloß ’ne Nachricht hängt da, dass sie weg sind.« Walt spuckte einen Strahl von Tabaksaft auf den Boden.
»Dann sollten Sie sich an den Sheriff in Gold Hill wenden«, sagte Dan.
»Wir wollten Ihnen die Chance geben, die tragischen Neuigkeiten als Erste zu veröffentlichen. Haben Sie kein Interesse? Soll’n wir damit zur Zeitung unten in Carson gehen?«
»Natürlich haben wir Interesse«, stammelte Dan. »Kommen Sie herein.« Dann schaute er zu mir hinunter. »Maisie«, sagte er, »du gehst jetzt besser nach Hause, sonst macht sich deine Mutter Sorgen.«
Ich nickte & stand auf.
»Im Gegenzug für unsere Neuigkeiten«, sagte Walt, »hatten wir auf ein paar Informationen gehofft.«
»Informationen?«, wiederholte Dan. Mit zitternden Händen stellte er seinen Teller auf meinen, hob beide hoch & reichte sie mir. Er hatte das WANTE D-Plakat dabei mit aufgehoben, als wäre es eine Platzunterlage.
Walt sagte: »Wir suchen nach dem Kind von dem Prediger – so ein zwölfjähriger Halbindianer, der auf den Namen Pinky hört. Haben Sie so jemanden hier in der Nähe gesehen?«
»Nein«, stammelte Dan. »Ich habe keinen zwölfjährigen Halbindianer namens Pinky gesehen.« Zu mir sagte er: »Sag deiner Mutter, das Abendessen war köstlich. Jetzt lauf nach Hause.« Dann tätschelte er meine Haube.
Ich hielt das WANTE D-Plakat gegen die Teller gedrückt, während ich
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