Flucht vor den Desperados
Schlafzimmer und stellte mich vor den mannshohen Spiegel an der Wand. Ich erblickte einen schmuddeligen Indianer mit Decke, der mich mit ausdruckslosem Gesicht anstarrte. Mir fiel auf, dass die Augen unter der Krempe des übergroßen Hutes sehr dunkel waren, so wie die von Jace. Man konnte nicht allzu leicht erkennen, ob sich die Pupillen vergrößerten oder verkleinerten. Welches Wort hatte Jace noch benutzt? Undurchschaubar.
Ich war zufrieden mit dem, was ich sah, doch zugleich fiel mir auf, dass dies meinen Gesichtsausdruck um keinen Deut veränderte.
»Hör auf dich zu bewundern«, sagte Jace vom Türrahmen aus.
Wie konnte er das wissen? Dann bemerkte ich, dass die Spitze meines rechten Mokassins zur Decke zeigte. Eswar mir nicht einmal aufgefallen. Ich ließ den Fuß sinken und schaute Jace an. Vielleicht hatte er mir zugezwinkert, aber ich war mir nicht sicher.
»Stonewall«, sagte Jace. »Bring P. K. runter zu Almack’s. Wir treffen uns dort in zwanzig Minuten.«
Stonewall saugte an einer Zitronenspalte. Er warf sie ins Feuer & erhob sich von seinem Stuhl. Dann ging er zum Kleiderhaken, zog sich seinen Mantel an, setzte den Hut auf & schnallte sich seinen Pistolengürtel um.
Ich folgte Stonewall aus dem Zimmer. Als wir durch den Korridor gingen, fragte ich: »Hätten Sie mir heute wirklich den Kopf weggepustet?«
Er starrte mich mit seinem linken Auge an. Sein rechtes schaute irgendwo anders hin.
Er sagte: »Natürlich nicht. Ich hab bloß versucht, dir Angst einzujagen, damit du, falls du Gold von Jace gestohlen hättest, auch alles wieder rausrückst.«
Ich nickte. Jetzt fühlte ich mich etwas besser.
»Warum nennt man Sie Stonewall?«, fragte ich.
»Weißt du, wer Stonewall Jackson ist?«, fragte er mit seiner brummenden Stimme.
»Ja«, sagte ich. »Ein berühmter General in der Rebellenarmee.«
Stonewall sagte: »Er ist ein militärisches Genie. Ich habe mich nach ihm benannt, weil ich meinen echten Namen nicht mag.«
»Ich mag meinen echten Namen auch nicht«, sagte ich.
Stonewall grunzte & öffnete eine unbeschriftete weiße Tür. Eine schmale Treppe führte nach unten, und wir traten direkt auf dem Gehsteig der C Street ins Freie.
Es war jetzt nach Mitternacht, aber die Straße schien sogar noch belebter zu sein als am Tag. Ich sah viele bärtige Minenarbeiter und vermutete, dass sie gerade von ihrer Schicht kamen.
Der Wind blies noch immer, es war kalt. Ich war froh, die gelbe Decke und den übergroßen Hut zu haben. Ich band mir zwei Enden der Decke um den Hals und wickelte mich gut in sie ein. Dann eilte ich hinter Stonewall her.
Vor ihm teilte sich die Menge, und ich stellte fest, dass ich, wenn ich ihm folgte, nicht ein einziges Mal angerempelt wurde und mir auch niemand auf die Füße trat. Überall johlten & lachten die Leute. Einmal glaubte ich, Pistolenschüsse gehört zu haben, gefolgt von Schreien und dann von Gelächter. Durch die dünnen Sohlen meiner Mokassins konnte ich spüren, wie der Gehsteig vibrierte. Selbst mitten in der Nacht hämmerten die Kolben auf das Quarz ein.
Wir blieben an der nordwestlichen Ecke C Street & Taylor stehen, in der Nähe des Haushaltswarenladens mit den Kaffeekannen & dem Herd auf dem Dach. Gegenüber der Kreuzung befand sich ein schön aussehendes Steingebäude. Fackeln auf beiden Seiten der Tür beleuchteten ein großes Schild mit der Aufschrift: Almack’s Austern& Spirituosen-Saloon. Wir überquerten die Taylor Street, und Stonewall wandte seinen hässlichen Kopf um. Ich war mir nicht sicher, ob er mich nun ansah oder nicht, weil seine Augen in verschiedene Richtungen zeigten. Er sagte mit gesenkter Stimme: »Wenn ich in den Saloon gehe, kommst du hinterher. Aber setz dich neben der Tür auf den Boden, wie Jace gesagt hat.«
Ich nickte und beobachtete, wie Stonewall die Straße überquerte & eintrat.
Almack’s Austern- & Spirituosen-Saloon hatte keine Schwingtüren aus Holz, wie der Saloon, in dem ich den ganzen Nachmittag mit Jace gesessen hatte. In diesem hier gab es ganz normale Doppeltüren mit Messingklinken & Milchglasscheiben im oberen Teil, auf denen jeweils das Wort ALMACK’S eingraviert war. Stonewall schloss die Tür nicht vollständig, sodass ich leise hineinschlüpfen konnte.
Im Inneren war es schummrig & verraucht, wie im Fashion Saloon. Aber mit einem Blick erkannte ich den Unterschied zwischen einem Bit House und einem Two Bit Saloon wie diesem. Es gab gestreifte Tapeten an den Wänden, und die Lampen hatten farbige
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