Fluchtpunkt Atlantis
zurückzubekommen.«
»Klar, das wirst du.« Zwar sah ich den Weg noch nicht, wie das möglich sein sollte, aber ich wollte sie auch nicht mit irgendwelchen Fragen belästigen.
Als wir die Höhle erreicht hatten, blieb Sedonia zunächst stehen. Sie roch in die Öffnung hinein.
»Was hast du?«
»Es ist der alte Geruch, John, den ich kenne. Wir sind hier richtig. Lass mich vorgehen.«
In den folgenden Sekunden konnte ich mich nur wundern, denn Sedonia benahm sich wie eine Sehende. Kein falscher Tritt, kein Anstoßen, sie wusste genau, wohin sie zu gehen hatte. Ihr Erinnerungsvermögen war wirklich außergewöhnlich.
Ich blieb ihr auf den Fersen. Der Rest an Helligkeit verlor sich bereits einen Schritt hinter dem Eingang. Da lauerte die Finsternis dick wie schwarze Watte, und sie wurde von keinem weiteren Lichtstrahl durchbrochen. Blind wollte ich allerdings nicht hineingehen, deshalb holte ich die Lampe hervor und leuchtete an Sedonia vorbei.
Das Licht wirkte wie eine helle Lanze. Es tötete einen Teil der Schwärze, ich sah auch ein Ende und stellte fest, dass die Höhle nicht sehr tief war.
Aber sie hatte jemandem als Wohnstatt gedient. Auf dem Boden, ungefähr in der Mitte, verteilten sich kleine Strohreste sowie sperrige Äste und Blätter. Ein Lager, wie ich zuerst gedacht hatte, war das nicht.
Dafür gab es einen anderen Ausdruck. Es war ein Nest!
Nicht einmal überraschend, denn Sedonia hatte ja von den Vögeln gesprochen, die ihre Freunde gewesen waren. Sowie auch die Vogelmenschen des Eisernen Engels.
Es hatte sich auch ein bestimmter Geruch in dieser Höhle ausgebreitet.
Mir war er fremd, wobei ich davon ausging, dass die hier nistenden Vögel ihn hinterlassen hatten. Es roch scharf und leicht ätzend. Sedonia aber freute sich über den Geruch. Sie sprach davon, dass er auch ein Stück Heimat für sie war.
»Hast du dich umgeschaut, John?«
»Ja, ich habe Licht gemacht.«
»Das ist gut. Was siehst du? Bitte, sag es mir. Was kannst du in der Umgebung sehen?«
Sie war aufgeregt und zitterte sogar. Dann hörte sie zu und war auch zufrieden über das, was sie von mir erfuhr. »Ja, so habe ich es mir vorgestellt, John. So und nicht anders. Es hat sich nichts verändert. Es ist noch immer so wie damals oder wie heute, das ist egal.«
»Die Höhle war also bewohnt?«
»Sie ist es, John.« Sedonia hatte sich gedreht und ihre Hände flach gegen meine Brust gedrückt.
»Und weiter?«
»Ich muss noch auf meinen Freund warten. Aber ich bin überzeugt, dass er kommt. Er hat mich bestimmt gespürt und gesehen, denn er besitzt sehr scharfe Augen.«
»Der Adler also?«
»Ja.«
Dem Klang der Antwort hatte ich entnommen, dass Sedonia noch immer voller Hoffnung steckte. Ich gönnte es ihr. Ich gönnte ihr wirklich alles Gute, aber ich hatte nicht vergessen, dass es nicht nur Freunde gab. Ein Gebiet wie dieses eignete sich als Schlupfwinkel dämonischer Kräfte besonders gut.
Bisher hatten wir nichts damit zu tun gehabt. So etwas konnte sich leicht ändern. Mit Sedonia sprach ich nicht über dieses Thema. Ich wollte sie nicht verunsichern und ihr nicht die Freude nehmen, aber sie spürte schon, dass ich nicht so reagierte, wie sie es gern gehabt hätte.
Deshalb sprach sie mich wieder an.
»Was ist los mit dir, John?« Zielsicher fasste sie nach meinem Arm.
»Etwas stimmt nicht. Das merke ich. Dazu bin ich sensibel genug. Ich spüre, wenn mir andere Menschen etwas vormachen wollen. Und hier habe ich das merkwürdige Gefühl.«
»Nein, das siehst du etwas falsch.«
»Warum, John? Warum sehe ich das falsch? Dann sag mir bitte, was mit dir los ist.«
»Es ist ganz einfach, Sedonia. Ich kann deinen Optimismus nicht unbedingt teilen. Es mag auch daran liegen, dass ich nicht aus dieser Welt komme. Ich bewege mich in einer fremden Umgebung und denke auch weiter.«
»An Gefahren?«
»An die auch.«
Sie nickte. »Da hast du wohl recht. Es wird Gefahren geben. Dieses Land ist kein Paradies. Für mich war es hier immer wunderbar. Eben weil ich mich so beschützt gefühlt habe.«
»Lass es gut sein. Konzentriere dich mehr auf dich und deine Aufgabe. Ich wünsche mir sehr, dass alles glatt geht.«
»Ja, das wird es.«
Sedonia ließ mich stehen. Sie bewegte sich innerhalb der Höhle wie eine Sehende. Die Hände hielt sie kaum ausgestreckt. Sie kannte hier jeden Stein und auch jede Unebenheit des Bodens. Es wunderte mich schon, dass sie nicht stolperte. Ich verfolgte ihre Bewegungen mit dem Lichtstrahl der
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