Fluchtpunkt Mosel
angeleint, den lasse ich nur auf den Feldern frei laufen, wir haben selbst Kinder.«
»Das ist gut, hätten Sie vielleicht ein wenig Futter für mich?«
Anfangs fürchtete Walde, dass der Hund zu schwach wäre, das Trockenfutter zu kauen. Die Frau hatte ihm auch einen mit Wasser gefüllten Plastikübertopf gegeben, in den er das Futter tauchte, bevor er es Quintus in der flachen Hand vor das Maul hielt. Doch schon nach einigen Bissen schienen die Lebensgeister in dem Tier zu erwachen. Es hob den Kopf, als Walde ihm den Topf zum Trinken an die Schnauze hielt.
»Gib ihm nicht zu viel!«, mahnte Grabbe. »Sonst verträgt er das Futter nicht, nach so langer Zeit ohne Nahrung.«
Während der Weiterfahrt nahm der Hund eine neue Position ein. Er stützte den Kopf auf die ausgestreckten Vorderpfoten. Immer, wenn Walde nach hinten blickte und mit der Hand über das Fell des Tieres strich, öffnete Quintus die Augen und sah ihn mit einem warmen Blick an, wie es Walde schien.
Grabbe steuerte den Wagen umsichtig. Links tauchte die Kirche von Klausen auf.
Walde füllte etwas Trockenfutter in den leeren Blumentopf und hielt ihn dem Hund hin, der schwanzwedelnd seine Schnauze hineinsteckte.
Als Grabbes Telefon läutete, reichte er es nach hinten an Walde weiter.
»Wo steckt ihr?« Walde erkannte Gabis Stimme.
»Auf der Autobahn Richtung Trier, gleich hinter Schweich.«
»Gibt es einen Stau?«
»Nein, warum?«
»Grabbe hat vor einer dreiviertel Stunde angerufen. Da wart ihr schon unterwegs.«
»Wir mussten noch mal zurück. Was gibt’s.«
»Ich habe die Fahrschule erreicht, in der dieser Mendig war. Der Fahrlehrer sagt, der Mann konnte bereits fahren und hat etwas von einem Führerschein aus den USA erzählt, der hier nicht gültig sein soll.«
»Und wie ging es mit dem Motorrad?«, fragte Walde.
»Konnte super fahren, musste nur ein wenig Theorie büffeln.«
»Hast du schon Angehörige ausmachen können?«
»Das kommt jetzt, wir sehen uns ja gleich.«
»Ja«, sagte Walde.
»Gibt es ein Problem?«
»Erzähl ich dir später.«
Grabbe stellte die Heizung zurück. »Ich glaube, dem Hund wird es zu warm. Wie kamst du darauf, dass Quintus hinter dem Holzstapel liegen könnte?«
»Bei allen technischen Errungenschaften kommt es bei einem guten Polizisten immer noch auf das Bauchgefühl an.«
»Alter Angeber. Und was nun?«
»Wie?« Walde roch an seinen unangenehm nach nassem Fell stinkenden Händen.
»Was geschieht mit dem Hund?«, fragte Grabbe.
»Keine Ahnung.«
»Und was sagt dein Bauch?«
»Der hat Hunger.«
Walde fragte nicht, warum Grabbe in Trier auf die linke Moselseite wechselte und am Eurener Industriegebiet vorbei stadtauswärts fuhr. Einige Kilometer weiter bog er hinter Zewen beim Schild ›Tierheim‹ von der Straße ab. Vor ihnen tauchten mehrere flache Gebäude auf. Auf dem Parkplatz standen nur zwei Autos.
Sie ließen Quintus im Wagen zurück. Sobald sie sich den Gebäuden näherten, schlug ein Hund an. Nach und nach fielen weitere ein. Das Gebell wurde derart laut, dass Walde am liebsten kehrtgemacht hätte. Er überwand sich und folgte Grabbe bis vor ein flaches weißes, anderthalb Geschosse hohes Steinhaus.
»Mist«, Grabbe drückte die Türklinke. »Montags geschlossen.«
»Aber man muss sich doch jeden Tag um die Tiere kümmern.« Walde schaute sich um. Kein Mensch war zu sehen. Als er zum Parkplatz zurückblickte, sah er Quintus’ Kopf zwischen den Sitzen hervorlugen.
Sie gingen über einen sandigen Weg auf die flachen Gebäude zu, aus denen das Hundegebell drang.
Hinter einem der Häuser tauchte ein Mädchen mit Pippi-Langstrumpf-Zöpfen auf. Umringt von einem halben Dutzend Hunde schob es eine Schubkarre, in der schwanzwedelnd ein Hund stand. Die anderen Tiere schienen ungeduldig auf eine Fahrt in der Karre zu warten. Die Meute kam den beiden Männern entgegen. Walde spürte, wie Grabbe etwas hinter ihm zurückblieb.
»Entschuldigen Sie!« Wenn Walde die junge Frau nicht angesprochen hätte, wäre sie an ihnen vorbeigelaufen. »Wir haben ein Problem.«
»Ja?« Sie stellte die Schubkarre ab und streichelte über das dunkle Fell des Hundes, der heraussprang. Augenblicklich nahm ein anderer seinen Platz ein.
»Wir haben einen herrenlosen Malamute mitgebracht, der lange nichts zu fressen gekriegt hat.«
»Heute ist geschlossen«, sagte sie mit einem bedauernden Kopfschütteln und verschränkte die Arme vor ihrem dunkelblauen Fleecepulli.
»Aber es ist ein Notfall. Wir
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