Fluchtpunkt Mosel
Drehung durch die Luft wirbelte, stellte er seine Tochter auf die Beinchen zurück. Schon seit Monaten war sie sauber, aber es roch, als hätte sie in die Hose gemacht.
Doris hatte noch kein Wort gesprochen. Als Walde ihr einen Kuss geben wollte, wandte sie sich ab und deutete stumm in Richtung der offen stehenden Wohnzimmertür. Draußen auf der Terrasse stand ein Hund und blickte ihn durch die Glasscheibe an.
»Das ist Quintus. Entschuldige, dass ich dir nicht Bescheid gegeben habe.« Der aufgerichtete Schwanz des Hundes begann zu wedeln, als Walde sich durch den Raum auf die Tür zubewegte. Bevor er sie öffnete, zögerte er. Auf dem Rasen entdeckte er mehrere dunkle Erhebungen. Er blickte zu Quintus herunter, der sich an die Tür drängte, sah auf die lehmverkrusteten Vorderläufe und zurück zum Rasen.
»Oh nein, das darf doch nicht …« Walde öffnete die Tür einen Spalt und verhinderte beim Hinausgehen nur knapp, dass der Hund sich an ihm vorbei in die Wohnung zwängte.
Jetzt konnte er den Garten sehen und die ganze Bescherung, die der Hund angerichtet hatte. Vier Erdhügel mitten auf dem Rasen und dazwischen Stellen, an denen nur das Grün abgekratzt war.
Mehr aus Reflex bückte sich Walde und kraulte das Fell des Tieres. Signalisierte er damit nicht, dass Quintus alles richtig gemacht hatte? Zumindest könnte Doris, falls sie ihn beobachtete, es so auslegen. Als er auf der Holzbank nach der Packung mit Trockenfutter griff, dachte er, wie naiv er war, das Futter in Reichweite des Hundes zu platzieren. Einer von Doris’ neuen Laufschuhen stand daneben. Walde schüttete etwas aus der Packung in den Futternapf. Dabei sah er etwas Helles zwischen den kahlen Zweigen der Büsche liegen. Auf keinem von Annikas Spielsachen befand sich, soweit er sich erinnerte, ein Nikezeichen. Das Klacken der Terrassentür schreckte ihn aus seinen Gedanken.
»Telefon!« Doris hielt den Hörer aus der nur einen Spalt geöffneten Tür.
»Wir haben ihn.« Grabbe versuchte gelassen zu klingen.
Walde fragte überrascht: »Den Mörder?«
»Nein, den Namen des Toten.«
»Und?«
»Alfred Mendig heißt in Wirklichkeit Aloys Theis. Die Ehefrau habe ich auch schon ausgemacht …«
Walde hörte, wie jemand im Hintergrund dazwischenredete. »Also wir«, sagte Grabbe, »Gabi und ich, wir haben das zusammen herausgefunden.«
»Ich kann jetzt hier nicht weg. Könnt ihr der Frau … also sie benachrichtigen?«
»Ist eigentlich nicht nötig.«
»Warum?«, fragte Walde.
»Dieser Aloys Theis ist schon vor mehr als einem Jahr gestorben.«
*
»Ich mach das nachher weg.« Walde sah zurück auf die Spur aus Lehmkrümeln, die der Hund auf dem Boden hinterließ, als er ihn an der Leine durch die Wohnung führte. »Der Hund tut nix.«
Doris hatte Annika auf den Arm genommen und sich in die Küche zurückgezogen. Sie schaute von dort aus sicherer Entfernung zu. »Klar, der will nur spielen. Das hab ich mir schon oft genug beim Joggen im Wald anhören müssen. Ich hätte nicht gedacht, dass mir das mal in der eigenen Wohnung passieren würde.«
Annika ruderte begeistert mit den Armen, als sie Quintus sah.
»Du hättest den armen Kerl heute Morgen sehen sollen, da war er wirklich kurz vor dem Hungertod.«
»Hat sich ja sehr schnell erholt!«
»Ich weiß auch nicht.« Walde mühte sich, seine Jacke anzuziehen und dabei den Hund unter Kontrolle zu halten. »Diese Polarhunde scheinen wirklich besondere Fähigkeiten zu haben.«
»In unsere Badewanne wurde gekackt.« Doris schnaubte.
»Das kann unmöglich der Hund gewesen sein.«
»Das war Minka, sie hat sich nicht durch die Katzenklappe in den Garten getraut.«
»Auch das noch!« Walde hatte die Katze völlig vergessen. Auch jetzt schien sie sich irgendwo in der Wohnung verkrochen zu haben.
»Das mache ich nachher auch weg.«
»Du weißt, dass du versprochen hast, heute Abend bei Annika zu bleiben. Ich muss noch mal zurück in die Firma.«
Walde nickte. In Wirklichkeit hatte er auch das vergessen.
Vor dem Haus nahm Quintus augenblicklich Tempo auf. Walde ließ ihn gewähren und marschierte mit langen Schritten neben ihm her. Überraschenderweise hinkte der Hund kaum noch. Als sie zum Auto kamen, versuchte er, den Hund zu einer langsameren Gangart zu bewegen.
Na gut, gehen wir noch ein paar Schritte, dachte Walde. Am Ende der Straße bog er mit dem Hund in die Nordallee ein. Unter den Bäumen, wo stellenweise die Straßenlaternen keinen Lichtschein hinwarfen, war es so dunkel,
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