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Fluchtpunkt Mosel

Titel: Fluchtpunkt Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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geholt.« Jo reichte Walde eine Tasse Kaffee. »Sein Zimmer liegt zum Garten. Quintus’ Geheul hat ihn gestört.«
    »Und dann?«
    »Ich bin ja selbst schuld, du hast mich gewarnt. Marie ist außer sich.«
    »Jetzt sag endlich, was passiert ist!«
    Jo ging stumm zur Küchentür und gab Walde ein Zeichen, ihm zu folgen.
    Der Geruch im Flur war stärker geworden. Inzwischen schienen Reiniger die Oberhand gewonnen zu haben. Walde folgte Jo bis zur letzten Tür, die, wie er wusste, zu einem Gäste-WC mit Dusche führte.
    Mit ungläubigem Blick starrte er auf die ausgefranste Ecke in der massiven Tür. Er erinnerte sich, wie stolz Marie und Jo damals auf die original erhaltenen Türen waren, als sie die ehemalige Scholasterei aus dem 16. Jahrhundert erworben hatten. Die beiden hatten aus dem heruntergekommenen Gebäude mit viel Liebe, Schweiß und Geld ein Schmuckstück gemacht.
    Als Jo die Tür öffnete und das Licht einschaltete, riss Walde reflexartig beide Hände hoch und kniff sich damit die Nase zu.
    Auf dem mit einer bräunlich gelben Pampe getränkten Boden lagen Scherben aus Glas und Ton. Hölzerne Regalbretter waren samt Halterung aus der Wand gerissen und wiesen Bissspuren und fehlende Ecken auf. Ein großes deformiertes Plastikteil, das vermutlich WC-Reiniger enthalten hatte, verursachte nun den Großteil des unerträglichen Gestanks. Ein zerknülltes Bündel schien einmal der Duschvorhang gewesen zu sein. An der Schiene hingen nur noch Röllchen, teils mit Fetzen daran. Bei dem Braunen in der Ecke handelte es sich offensichtlich um Exkremente, die der Hund nach getaner Arbeit als Krönung seines Zerstörungswerks hinterlassen hatte.
    »Marie ist außer sich«, wiederholte Jo leise.
    »Wie konnte das passieren?« Walde schüttelte den Kopf.
    »Philipp hat Quintus da reingesperrt. Angeblich nur für eine Stunde. Als er ihn wieder raus ließ, war alles zu spät.«
    »Das muss doch einen Höllenlärm gegeben haben!« Walde betrachtete das ausgefranste Holz der Tür, aus der Quintus eine, wie er schätzte, zwanzig Zentimeter große Ecke herausgebissen hatte.
    Jo fragte halblaut: »Weißt du, ob es vielleicht eine Haftpflichtversicherung für den Hund gibt?«
     
    »Das Maß ist voll, bei der geringsten Kleinigkeit bringe ich dich ins Tierheim!«, drohte Walde, als er Quintus zu Hause in den Garten führte. Auf der Terrasse zeigte das Thermometer knapp über null Grad. Er hoffte, dass das Wasser nicht einfror, das er in den Napf neben dem Trockenfutter füllte.
    Erst im Kofferraum seines Wagens hatte er Quintus füttern dürfen, weil Jo es für psychologisch falsch hielt, dem Hund am Ort seiner Untaten in irgendeiner Weise das Gefühl von Belohnung zu vermitteln. Danach war Walde noch mit Quintus zum nahen Moselufer getrabt, um ihn Gassi zu führen.
    Zweimal hatte er unterwegs versucht, Doris im Büro zu erreichen. Sie hatte jedes Mal telefoniert und ihn bisher noch nicht zurückgerufen.
    *
    Walde kam zu der von ihm auf dreizehn Uhr anberaumten Teambesprechung mit zehn Minuten Verspätung an.
    Er wollte mit Schwung die Tür des Konferenzraums neben dem Büro des Polizeipräsidenten aufreißen, als er feststellte, dass sie abgeschlossen war. Auch das Sekretariat des Präsidenten war verwaist. Walde lugte durch die offene Tür in Stiermanns Büro. Der Chef war nirgends zu sehen.
    Hoffentlich macht er Mittagspause, dachte Walde, als er die Personenschleuse zum Sicherheitsbereich passierte. Hier hatten längst nicht alle Mitarbeiter des Präsidiums Zutritt.
    Als er die Tür öffnete, tat Walde einen tiefen Atemzug durch die Nase. Vor einem Blick in den Raum nahm er eine Mischung aus Stiermanns Aftershave, Gabis herbem Parfüm, Kaffeeduft und kühler Frischluft wahr.
    Der Präsident stand mit Staatsanwalt Roth am geöffneten Fenster. Sobald Walde in den Raum trat, nahmen die beiden am Kopfende des Tisches Platz. Links und rechts von ihnen blieb ein Stuhl frei.
    Walde setzte sich neben Grabbe. Gegenüber saßen Gabi und Monika mit einem Kollegen, dessen Name Walde nicht einfallen wollte. Acht Leute verloren sich in dem für dreißig Personen und modernster Technik ausgestatteten Raum.
    »Dann können wir ja.« Stiermann schaute erst auf seine Uhr und dann in die Runde. »Sie gestatten, Herr Bock?« Er blickte Walde an wie ein Lehrer seinen Schüler, der zu spät zum Unterricht erschienen ist, und fuhr fort. »Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Herrn Staatsanwalt Roth, der sich über den aktuellen Stand im

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