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Flüchtig!

Flüchtig!

Titel: Flüchtig! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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war in dem Raum, vermied sie es, Raoul anzusehen und wählte schweigend die Nummer. Es gab ein kurzes Gespräch mit dem Portier des Motels, danach legte sie den Hörer auf und sagte: »Der Bursche war alles andere als hilfsbereit. Er hat sie heute noch nicht gesehen, aber sie sind bisher offenbar nicht abgereist. Ihr Wagen steht noch dort.«
    »Wenn du willst«, bot ich Raoul an, »fahre ich hin und versuche, mit ihnen Kontakt aufzunehmen.«
    Raoul warf einen Blick in sein Notizbuch mit der Terminliste.
    »Besprechungen, bis drei Uhr nachmittags. Die lasse ich sausen. Fahren wir!«
    »Ich halte es nicht für gut, wenn du mitfährst, Raoul.«
    »Aber das ist absurd, Alex. Ich bin der Arzt. Es geht hier um ein medizinisches Problem…«
    »Nur dem Namen nach. Laß mich versuchen, die Sache in den Griff zu bekommen.«
    Er zog die dichten Brauen zusammen, und in den Kaffeebohnenaugen funkelte wieder die Wut. Er wollte etwas sagen, aber ich kam ihm zuvor.
    »Wir müssen zumindest die Möglichkeit in Betracht ziehen«, sagte ich leise, »daß die ganze Geschichte zurückgeht auf einen Konflikt zwischen der Familie und dir.«
    Er starrte mich an, als sei er nicht sicher, ob er richtig verstanden hätte, lief purpurrot an, schluckte an seinem Zorn und riß dann verzweifelt beide Hände hoch.
    »Wie kannst du auch nur…«
    »Ich behaupte nicht, daß es so sein muß. Ich sprach von der Möglichkeit, die in Betracht gezogen werden muß. Wir wollen, daß der Junge wieder deiner Behandlung zugeführt wird. Und dafür müssen wir die Erfolgsaussichten vergrößern, indem wir alle möglichen Hindernisse ausräumen.«
    Er war fuchsteufelswild, aber ich hatte etwas gesagt, worüber er nachdenken mußte.
    »Also gut. Ich sitze hier ja nicht untätig herum. Fahr allein.«
    »Ich möchte Beverly mitnehmen. Von allen Betroffenen hat sie meines Erachtens den besten Draht zur Familie.«
    »Fein, fein. Nimm Beverly mit. Nimm mit, wen du willst.«
    Er zog seine Krawatte gerade und glättete nicht vorhandene Falten in seinem langen weißen Kittel.
    »Wenn du mich jetzt bitte entschuldigst, mein Freund«, sagte er und bemühte sich um einen zivilisierten Ton, »ich muß ins Labor.«
    Das Sea-Breeze-Motel lag am westlichen Teil des Pico Boulevards zwischen billigen Apartmenthäusern, staubigen kleinen Läden und Autogaragen, auf dem letzten schmutzigen Stück des Boulevards, kurz bevor Los Angeles endet und Santa Monica beginnt. Das Motel war zweistöckig, grünbemalter Verputz auf einer Holzkonstruktion mit etwas durchgesackten, rosa lackierten schmiedeeisernen Gittern. Die etwa dreißig Einheiten hatten Ausblick auf einen asphaltierten Parkplatz und einen Swimmingpool, der nur zur Hälfte mit algendurchsetztem Wasser gefüllt war. Das einzige Lüftchen bestand aus einem Schwall von Auspuffgasen, die in der Hitze vom öligen Boden nach oben stiegen, während wir neben einem Campingwagen mit einem Kennzeichen aus Utah parkten.
    »Nicht gerade ein Fünf-Sterne-Hotel«, sagte ich, als ich aus dem Seville stieg. »Und ziemlich weit vom Krankenhaus entfernt.« Beverly zog die Stirn in Falten.
    »Das wollte ich ihnen schon klarmachen, als ich die Adresse sah, aber der Vater ließ sich nicht überzeugen. Er meinte, er wolle in der Nähe des Strands sein, weil dort die Luft besser sei. Ja, er hielt mir sogar einen längeren Vortrag darüber, daß das Krankenhaus in die Strandgegend ziehen sollte, und wie gefährlich der Smog für die Kranken sei. Ich sage Ihnen doch, dieser Mann ist verrückt.«
    Das Empfangsbüro bestand aus einer gläsernen Zelle hinter einer zerkratzten Sperrholztür. Ein magerer Iraner mit Brille und dem betäubten Ausdruck des gewohnheitsmäßigen Opiumrauchers saß hinter einer ramponierten, windschiefen Kunststofftheke und studierte das Lehrbuch einer Fahrschule. Ein drehbarer Aufsteller mit Kämmen und billigen Sonnenbrillen nahm eine Seite des kleinen Raumes ein, ein niedriges Tischchen mit uralten Reiseprospekten und drei kleine Sessel die andere.
    Der Iraner tat erst einmal so, als ob er uns nicht gesehen hätte. Ich räusperte mich wie ein Lungenkranker, woraufhin er langsam hochblickte.
    »Ja?«
    »In welcher Einheit wohnt die Familie Swope?«
    Er musterte uns, kam zu der Erkenntnis, daß wir in Ordnung waren, sagte »Fünfzehn« und kehrte sogleich in die Wunderwelt der Verkehrszeichen zurück.
    Vor Einheit 15 parkte ein staubiger, brauner Chevrolet-Kombiwagen. Bis auf einen Pullover am Vordersitz und einem Karton im

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