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Flüchtig!

Flüchtig!

Titel: Flüchtig! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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kann euch eines Tages wieder oft besuchen und mit euch wegfahren und Spaß haben. Aber jetzt - und das ist wirklich traurig -, gerade jetzt wäre es nicht so gut, wenn er öfters mit dir und April beisammen wäre. Weißt du, warum?«
    »Wird er wütend?«
    »Das ist nur ein Teil davon. Er wird sehr, sehr wütend - oder sehr traurig - oder sehr glücklich, ganz schnell hintereinander, und manchmal ohne jeden Grund. Wenn er sehr wütend ist, könnte er Dinge tun, die nicht richtig sind, zum Beispiel mit jemandem kämpfen.«
    »Ach, den würde er bestimmt zusammenschlagen.«
    »Das stimmt, aber es wäre gefährlich für den anderen, den er zusammenschlägt. Und du und April, euch könnte dabei auch etwas passieren, verstehst du das?« Er nickte zögernd.
    »Ich will damit nicht sagen, daß er immer so krank sein wird. Es gibt zum Beispiel eine Medizin, die ihm hilft. Oder wenn er mit einem Doktor wie mir redet, das könnte ihm auch helfen. Aber dein Daddy will einfach nicht zugeben, daß er Hilfe braucht. Also hat die Richterin gesagt, er darf euch nicht mehr sehen, bevor es ihm nicht bessergeht. Da ist er erst richtig wütend geworden und glaubt jetzt, daß alle anderen böse sind und ihm weh tun wollen.«
    Er starrte mich an, stand auf, nahm ein Blatt Zeichenpapier und fing damit an, eine Flotte von Papierflugzeugen zu falten. In der nächsten Viertelstunde lieferte er sich einen einsamen Kampf von epischen Ausmaßen, zerstörte ganze Städte, massakrierte Tausende von Bewohnern, stampfte und brüllte und zerfetzte das Papier, bis Mals antiker Saruk völlig mit Konfetti bedeckt war.
    Danach zeichnete er eine Weile, war aber nicht glücklich mit seinen Schöpfungen und warf die zerknitterten Blätter in den Papierkorb. Ich versuchte, mit ihm über die Ausreißerepisode zu sprechen, aber er weigerte sich. Ich erwähnte noch einmal die Gefahr, in die er sich begeben würde, und er hörte zu, wobei er mich gelangweilt anschaute. Als ich ihn fragte, ob er es noch einmal tun würde, zuckte er mit den Schultern.
    Ich brachte ihn zurück und holte Darlene ins Büro. Sie trug einen rosafarbenen Hosenanzug und dazu silberne Sandalen. Ihr dunkles Haar war hoch aufgetürmt und gesprayt. Sie hatte bestimmt viel Zeit und Mühe aufgewandt für ihr Make-up, aber sie sah dennoch müde, erschöpft und verängstigt aus. Nachdem sie sich gesetzt hatte, nahm sie ein Taschentuch aus ihrer Handtasche und schneuzte sich.
    »Es muß sehr schwer sein für Sie«, sagte ich.
    Tränen traten ihr in die Augen. Das Taschentuch wanderte wieder nach oben.
    »Er ist ein Wahnsinniger, Doktor. Er wird immer verrückter, und jetzt will er mich nicht gehen lassen, ohne etwas wirklich Wahnsinniges zu tun.«
    »Wie schaffen es denn die Kinder?«
    »April klammert sich ein bißchen viel an mich - Sie haben es ja da draußen gesehen. Sie steht nachts mehrmals auf und will in unser Bett kommen. Aber sie ist ein liebes Kind. Der Junge ist ein Problem, stets zornig, und gestern hat er ein ganz ordinäres Wort zu Carlton gesagt.«
    »Wie hat Carlton darauf reagiert?«
    »Er hat ihm erklärt, daß er ihm tüchtige Prügel verpaßt, wenn er es noch einmal sagt.«
    Großartig.
    »Es ist nicht gerade gut, Carlton in dieser Weise in die Erziehung einzubeziehen. Jetzt jedenfalls noch nicht. Daß er da ist, wo zuvor ihr Daddy war, erfordert von den Kindern ohnehin schon genug Anpassung. Wenn Sie zulassen, daß er die Führung des Haushalts übernimmt, werden Sie sich verstoßen und vereinsamt fühlen.«
    »Aber Doktor, man kann doch nicht unwidersprochen zuhören, wenn er solche Dinge sagt!«
    »Dann müssen Sie das in die Hand nehmen, Mrs. Moody. Es ist wichtig für die Kinder, zu wissen, daß Sie immer für sie da sind. Daß Sie sich um sie kümmern.«
    »Okay«, erklärte sie ohne Begeisterung. »Ich werde es versuchen.«
    Ich wußte, daß sie es nicht versuchen würde. Und in ein paar Monaten würde sie sich fragen, warum die Kinder so störrisch, traurig und widerspenstig waren.
    Trotzdem tat ich meine Pflicht und erklärte ihr, daß beide Kinder von der Hilfe eines erfahrenen Psychologen nur profitieren konnten. April, sagte ich ihr, zeige keine ernsthaften Probleme, doch sei sie gefährdet.
    Eine geeignete Therapie könnte bei ihr bereits kurzfristig helfen und das Risiko gravierender Probleme in der Zukunft ausschalten.
    Ricky dagegen sei ein gequälter kleiner Junge, voller Zorn und jederzeit bereit, davonzulaufen. An diesem Punkt unterbrach sie mich, um für

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