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Flügel aus Asche

Flügel aus Asche

Titel: Flügel aus Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaja Evert
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Das Regal sah aus, als wäre jemand dagegen geprallt, die Papierrollen lagen kreuz und quer am Boden verstreut, und Blutspritzer zogen sich über die geborstenen Bodenplatten. Hier musste ein Kampf stattgefunden haben. Adeen wurde schlecht bei dem Gedanken, dass es das Blut seiner Freunde sein konnte.
    Keine Zeit. Ich muss –
    Doch er trug keinen Zunder bei sich, nichts, womit er Feuer hätte legen können. Diesen Teil der Ausrüstung hatte Schwärmer mit sich geführt. Ohnehin musste Adeen die Schriftrollen erst aus ihren Hüllen befreien, ehe er sie verbrennen konnte, es sei denn, es gelang ihm, ein Feuer zu erzeugen, das heftig genug brannte, um das Kristall splittern zu lassen.
    Adeen schloss die Augen und versuchte, sich zu konzentrieren. In seinem Inneren kreiste ein schwarzer Sturm aus Wut und Verzweiflung, und er konnte nicht einmal mehr ruhig atmen. Erdmagie stand ihm als größte Macht zur Verfügung, das wusste er, und wenn es ihm gelang, Zugang zu der Glut zu finden, die er in sich spürte –
    »Beim endlosen Abgrund!«
    Der Schmerz traf Adeen, ehe er auch nur den Kopf wenden konnte, fuhr ihm mit eisiger Gewalt in die Rippen. Er wurde niedergeworfen, rutschte über den Boden und stieß gegen eines der Regale. Den Aufprall spürte er kaum. Vor seinen Augen zuckten Blitze. Er hörte ein fernes Ächzen und begriff vage, dass es seine eigene Stimme war.
    Als sein Blick wieder klarer wurde, sah er die Stiefel, die auf ihn zukamen, schief, als wäre die Welt gekippt. Sie blieben direkt vor ihm stehen. Mühsam hob er den Kopf und blickte an den Beinen des Mannes empor: eine Militärrobe, ein kristallbesetzter Stab, weißblondes Haar und der bittere Geruch nach verbrauchter Luft und Blüten. Der Geruch eines Luftmagiers.
    Charral.
    »Ich fasse es nicht – was um alles in der Welt tust
du
hier, Krähe? Solltest du nicht tot sein?«
    Das Ende des Stabes traf Adeen in die Seite und ließ ihn vor Schmerz zusammenzucken. Allmählich verlor der Zauber, mit dem ihn Charral attackiert hatte, seine lähmende Wirkung. Adeen konnte sich wieder rühren, er rollte sich herum, um sich zumindest halb aufzurichten, und zog seinen Dolch aus dem Gürtel. Wenn ihn Charral schon erwischt hatte, wenn er hier sterben musste, dann wollte er dabei wenigstens nicht mit dem Gesicht am Boden liegen. Blut tropfte aus seiner Nase auf seine Hand.
    »Sehe ich richtig?«, spottete Charral. »Du hast nichts weiter als ein Messerchen? Schleichst dich in die Akademie, hast aber nichts, um zu kämpfen, wenn du einen Gegner triffst?«
    Er stieß Adeen den Stab vor die Brust, und Adeen fühlte das bedrohliche Vibrieren, das von den magisch aufgeladenen Kristallen ausging. »Was willst du hier? Unsere Schriftrollen zerstören, um dem Abschaum da draußen zu helfen? Du weißt doch, dass die Magier von Rashija mächtiger sind als alles, was hier unten im Staub lebt.«
    »Du hättest gar keine Macht, Charral«, hörte sich Adeen sagen, »ohne diesen Stab da. Nicht einmal einen kleinen Windstoß könntest du beschwören ohne ihn. Aber wir – wir Schreiber, wir haben Macht, solange Rashija … am Boden ist.«
    Charrals Augen verengten sich zu Schlitzen. »Was redest du da?«
    »Das weißt du so gut wie ich. Du hast schließlich selbst … dieses Gemetzel angerichtet.«
    »Und ich habe
dich
unter den Toten vermisst!« Charral rammte den Stab gegen Adeens Körper, und erneut zuckte ein Blitz durch seine Brust und warf ihn zu Boden. »Für wen hältst du dich? Ein Mischling, der allein durch seine Existenz die Gesetze des Herrschers untergräbt! Du bist ein Scheusal! Ich werde dir deine verdammte schwarze Haut abziehen!«
    Adeen wischte sich das Blut vom Gesicht und stemmte sich auf einen Ellbogen hoch. Der Schmerz, der ihm eben noch den Atem genommen hatte, ließ plötzlich nach. Magie floss ohne sein Zutun in seinen Körper hinein, zog heiße grüne Spuren durch seine Adern, und ihr Glühen vermischte sich mit den roten Schlieren vor seinen Augen. Das Flattern großer Flügel klang in seinen Ohren, fern zunächst, doch es kam näher und erfüllte die Welt ringsum mit einem Dröhnen, das die Regale zittern ließ. Flüchtig fragte sich Adeen, weshalb Charral es nicht zu bemerken schien –
    »Du bist das Scheusal, Charral.« Es fiel ihm schwer zu sprechen, als verwandle sich sein Mund in hartes Horn, und als könne seine Kehle nur noch Schreie hervorbringen. Der Raum vor seinen Augen, Charrals Gesicht, alles verbog sich auf sonderbare Weise, färbte sich

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