Flügel aus Asche
reglos, ohne das spöttische Lächeln, das ihn so häufig gequält hatte. Auf den glattrasierten Wangen glänzten winzige schwarze Blutspritzer.
Adeen wandte sich ab und würgte. Sein Körper gehorchte ihm nicht mehr, Krämpfe schüttelten ihn. Der Raum verbog sich vor seinen Augen. Er konnte sich nicht erinnern, was passiert war, nur an Schreie und Sturm und das schreckliche Gefühl der Enge. Aber er wusste, dass es erneut passiert war: Der schwarze Vogel war zurückgekehrt.
Und diesmal habe ich ihn kontrolliert.
Nein,
erkannte er im gleichen Moment, als er sich mühsam auf ein Knie hochstemmte und sich den Mund abwischte,
das habe ich nicht. Er hat mich kontrolliert, und hätte ich ihn nicht vertrieben, würde ich jetzt hier sitzen wie ein Tier, hätte sogar –
Er blickte auf seine Hand. Seine dunkle Haut war überzogen von Brandwunden, auch Blut glänzte darauf. Ob es seines war, wusste Adeen nicht. Er schauderte und wandte den Blick zur Decke, wo ein großes Loch klaffte. Licht, in dem schimmernde Schuttpartikel tanzten, strömte durch die zerborstenen Balken herab. Erst dann kroch das Geräusch der Flammen in sein Bewusstsein, ihr Prasseln und Fauchen, während sie an den ersten Regalen emporzüngelten und sich über die Schriftrollen hermachten. Mit hellem Klirren splitterte eine Hülle aus Siltkristall in der Hitze, gleich darauf die nächste. Er war es, er hatte dieses Feuer erschaffen aus seiner Wut. Noch fühlte er die Reste dieser Wut in seinem Körper und begann die ganze Macht der Magie zu begreifen, die ihm gegeben war.
Aber um welchen Preis?
Auf einem Blatt Papier hatte es angefangen – ein Flügel, ein Schnabel – Vögel, die über eine feuchte und verwitterte Wand flogen – ihr Anblick hatte ihn damals getröstet, und er erinnerte sich: Es war, als hätten die Federn sanft sein Gesicht berührt und in seinem Herzen einen Hauch der Freiheit hinterlassen, die jedem Vogel zu eigen war.
Ich wollte doch nur die Flügel ausbreiten und die Luft um mich herum spüren. Ein Monstrum wollte ich nie erschaffen – und erst recht keines sein.
Mit zusammengebissenen Zähnen richtete sich Adeen auf. Sein ganzer Körper brannte. Der Blitzzauber, den Charral mit seinem Kristallstab gegen ihn geschleudert hatte, hatte ihn empfindlich getroffen, und er sollte wohl Erleichterung empfinden, dass er noch lebte. Aber die Abscheu vor sich selbst erstickte jede andere Empfindung.
Bleib weg,
schrie er den Vogel an,
komm nicht zurück!
Aber was auch immer, wo auch immer der Aschevogel war, er hörte ihn nicht: In Adeens Innerem hallte die Stimme im Leeren wider, verklang in Schwärze.
Was würde ich dafür geben, wenn er verschwunden bliebe – wenn er nur als Papiervogel zurückkäme!
Aber die Schwärze in ihm blieb und lauerte.
Neben sich sah er seinen Dolch liegen, der ihm aus der Hand geglitten war. Die Klinge war verbogen und halb geschmolzen, nutzlos. Erneut wandte er sich Charral zu. Als Erstes hob er den Stab auf, den der Magier hatte fallen lassen, und schmetterte ihn mit aller Kraft auf den Boden. Krachend zersplitterten die Kristalle, und Funken zuckten nach allen Seiten davon, sengten Löcher in die Wände und erloschen mit leisem Zischen. Jetzt würde Charral niemanden mehr angreifen! In seinem Gürtel steckte seine »Drachenzunge«, der gezackte Magierdolch. So behutsam es seine zitternden Finger erlaubten, löste Adeen die Scheide, zog den Dolch hervor und wog ihn in der Hand. Die Flammen spiegelten sich auf der bläulichen Klinge, und Lichtreflexe zuckten über Charrals bleiches Gesicht.
Los, Krähe, töte ihn, bevor er wieder zu sich kommt! Du weißt, dass er es verdient hat. Und es ist etwas anderes, ob du von einem Monstrum besessen bist, ihm das Herz herausreißt und frisst, oder ob du ihm einen schnellen Tod gibst, von dem er nichts spürt. Wer weiß, wie viele Leben du dadurch rettest.
Der Qualm wurde bereits dichter. Adeen hustete. Er schloss die Finger um den Griff und legte die Klinge an Charrals Kehle. Der Mann reagierte nicht. Unter der Dolchspitze quoll ein Tropfen Blut hervor und rann an Charrals weißem Hals hinab. Es war, als würde das Bild vor Adeens Augen gefrieren, und plötzlich wusste er …
Nur etwas fester …
… dass es dies war, was er immer sehen würde, sobald er die Augen schloss – wenn er jetzt die Klinge härter ansetzte.
Er konnte es nicht. Mit einem Aufschrei schleuderte Adeen den Dolch von sich.
Er packte Charral unter den Armen und schleifte ihn aus der
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