Fluegel der Dunkelheit
sich nicht vorstellen.
Nein, nein, nein!
Das dufte nicht sein. Ihm gelang es nicht, seine Zweifel vollständig
zu ersticken. Zwischen Erinnerungen, wie man ihm bei vollem
Bewusstsein, die Niere entfernt hatte, wie ihm der Hüftknochen
angebohrt wurde und der heilsamen Begegnung mit Liana hin und her
gerissen, war er nicht in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen.
Zur Sicherheit sollte er sie fesseln.
Wie albern. Was
konnte eine menschliche Frau ihm schon anhaben?
Und wenn sie doch zu
ihnen gehörte? Immerhin kannte sie Klingberger, andererseits schien
sie ihn nicht sonderlich zu mögen. Traian beschloss zunächst, das
Krankenhausgelände mit ihr zu verlassen. Er hievte sich Liana über
die Schulter, trug sie in den Wald. Im dichten Gebüsch ließ er sie
behutsam auf einen Moosteppich gleiten. Wenn sie mit ihrem Auto
hergekommen war, musste Traian wachsam bleiben. Vielleicht hatte sie
einen neuen Verfolger. Noch immer fühlte er sich zerrissen, von
seinen Rachegefühlen für die Mediziner und seiner Zuneigung zu ihr.
Als er bemerkte, wie sie langsam wieder zu sich kam, begann sein Herz
heftig zu schlagen. Er hörte das Rauschen seines Blutes in den
Ohren.
Wahrheit der Vampire
I hr Schädel
dröhnte mächtig, als sie mit dem Gesicht auf dem feuchten Moos zu
sich kam. Es vergingen einige Momente, ehe sie ihren Körper wahrnahm
und Herr ihrer Sinne wurde.
Ungefähr drei Meter
von Liana entfernt, saß Traian auf dem Waldboden. Er starrte sie an,
sah dabei aus, wie eine griechische Adonisstatue mit magischen Augen.
Liana pochte das Herz bis zum Hals.
Traian? Sie konnte
sich keinen Reim daraus machen, warum er sie außer Gefecht gesetzt
hatte. War sie ihm vielleicht in seine Ermittlungen getappt? Das wäre
sehr peinlich. Traian sah ihr ins Gesicht, mied aber den
Blickkontakt.
Verdammt! Genau wie
Victor.
Ein Schauer lief ihr
über den Rücken. Der Vollmond schien durch die Äste auf seine
Augenpartie. Es wirkte unheimlich.
Langsam richtete sie
sich auf. »Was habe ich verbrochen, dass Sie mich so behandeln?«
Seine Stimme klang
fremd, fast abfällig. »Was hatten Sie im alten Krankenhaus zu
suchen?«
Liana spürte ihren
Hals eng werden. Offensichtlich war Traian nicht der freundliche,
nette Kerl, für den sie ihn gehalten hatte. Sie leckte sich über
ihre trockenen Lippen. »Dort unten gibt es einen Keller, indem man
einst einen jungen Mann festhielt. Er hatte zwei Schussverletzungen
und ...«
Sein Blick wirkte
plötzlich so bedrohlich, dass Liana verstummte. Sie lauschte einer
inneren Stimme. »Du bist auf dem richtigen Weg, mach weiter.« Das
forderte Courage. Doch in diesem Augenblick fiel Liana ein, wie
Klingberger neulich von einer alten Geschichte gesprochen hatte.
Natürlich! Er
meinte die Versuche. »Waren Sie das? Hat man Ihnen das Rückenmark
punktiert, ohne vorher ein Anästhetikum zu setzen?«
Traians Nasenflügel
bebten auffallend. Er stand auf, schaute kurz zur Seite. Liana
überlegte, ob er nicht Ähnlichkeit mit dem Jugendlichen von eben
aus dem Keller hatte.
Ja, er war es. Dann
war Traian der Sohn von Alina. Deshalb versuchte diese Frau mit ihr
in Kontakt zu treten.
»Wozu das alles?«
Lianas Angst ebbte ab, verwandelte sich im nächsten Moment zu
Mitgefühl. »Was hat man damit bezweckt?«
Traians Miene wirkte
gefühlskalt. »Sie haben mit uns experimentiert.«
»Und jetzt wollen
Sie sich an den Ärzten rächen, die Sie gequält haben, nicht wahr?
Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Aber ich war keiner von ihnen.
Ich wurde nur in diese Sache hineingezogen.« Sie hörte selbst, wie
wenig überzeugend das klang. Traian sagte nichts dazu, sah sie nur
an. Kein Windzug bewegte auch nur ein Blatt.
Es war unglaublich
still.
So still, dass sie
ein Weinen hören könnte. »Veit!« Fast hätte sie ihn über diese
Situation vergessen.
»Was hast du eben
gesagt?« In Traians Gesichtszüge zog wieder Leben ein. »Dein
Kind?«
Liana schüttelte
den Kopf.
»Nein?« Er zog
seine Augenbrauen zusammen, »wem gehört es?«
»Um ehrlich zu
sein, weiß ich es nicht genau.« Liana befeuchtete sich die Lippen.
»Ich vermute, es entstand in diesem Keller.« Ob das jetzt so
geschickt war, ihren Verdacht zu äußern?
»Im Keller?«
Traians Augen weiteten sich auffallend. »Woher nehmen Sie ihre
Behauptung?« Auf Traians Stirn bildeten sich Falten, seine Augen
wirkten dabei sehr wach. Liana musste ihm zeigen, dass sie nicht auf
Klingbergers Seite stand. »Klingberger war ganz versessen darauf,
Veit in
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