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Fluegelschlag

Titel: Fluegelschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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geführt. Ein Hotel vielleicht, oder deine …« Juna verstummte. Es war ihr peinlich, seine Familie ins Gespräch zu bringen, und wenn sie
ehrlich zu sich selbst war, wollte sie gar nicht wissen, ob er eine Frau oder Freundin hatte. Natürlich, ewig konnte er nicht auf ihrem Sofa schlafen - leider. Noch nie hatte sie sich in fremder Gesellschaft so wohlgefühlt. Besonders bei gut aussehenden Männern wurde sie normalerweise noch schüchterner, als sie ohnehin schon war. Eigentlich hätte seine Gegenwart sie vollständig lähmen müssen, doch das Gegenteil war der Fall: Gestern Abend hatte sie ihm Gedanken anvertraut, die sie nicht einmal mit Iris teilte. Zugegeben, der Wein hatte einen nicht unerheblichen Anteil daran gehabt, aber Arian wirkte so interessiert, als wäre es ihm wirklich wichtig, was sie zu sagen hatte.
    Ihr Talent im Umgang mit Menschen war schon immer recht bescheiden gewesen, und seit Iris aufgetaucht war, überließ sie ihr die meisten Feindkontakte , wie die Freundin es gern nannte. Häufig verstand sie die Menschen nicht, denn sie verfolgten ihre Ziele auf eine Weise, die Juna nicht mochte, hatten Hintergedanken und sendeten eigentlich immer widersprüchliche Signale aus. Bei Tieren war das anders. Sie kannten keine bösartigen Tricks und Täuschungen und gaben, ohne Gegenleistungen zu erwarten, Trost … so, wie Arian es getan hatte. Deshalb war sie froh, dass er nicht auf ihren Vorschlag, die Polizei einzuschalten, eingegangen war.
    Sie würde einen Vorwand finden, um ihn in einen Klamottenladen zu locken, und die Sachen, die ihm gefielen, anschließend einfach heimlich kaufen. Vielleicht würde sie behaupten, dass sie John gehörten. Die beiden waren etwa gleich groß.
     
    Arian genoss es, mit ihr gesehen zu werden, und ein neues Gefühl bahnte sich einen Weg in sein Bewusstsein: Stolz.
Er entdeckte, dass er stolz auf seine attraktive Begleiterin war, an deren Seite er bestens gelaunt die Shopping-Galerie betrat. Die Geschäfte liefen offenbar gut. Menschen flanierten, eilten, schlenderten, blieben vor Schaufenstern stehen oder kamen schnellen Schrittes aus den Läden heraus, verfolgt von lauter und je nach Branche äußerst unterschiedlicher Musik. Aus dem Souterrain stiegen Düfte verschiedener Landesküchen herauf, und überall sah Arian Leute, die tranken oder aßen. Mannigfaltige Auren menschlicher Existenz begegneten ihm: Träume, Sehnsüchte, Ängste. Eilig bemühte er sich um Schutz. Weil er die Menschen nicht leiser drehen konnte wie ein Radio, griff er auf mentale Ohrenstöpsel zurück, eine harmlose Magie, die störende äußere Einflüsse dämpfte und ihm in der Vergangenheit immer gute Dienste geleistet hatte. Aber natürlich gab es einen Nachteil: Dämonische Aktivitäten waren schwerer zu entdecken. Jedenfalls, bis er sich an die Situation gewöhnt hatte. All diesen Schwierigkeiten zum Trotz blieb er an Junas Seite, während sie voranschritt, als wisse sie genau, wohin sie wollte. Neben dem typischen Glasgow-Akzent hörte er unterschiedliche Dialekte und Sprachen. Juna hatte ihn in einen babylonischen Konsumtempel gelockt.
    Plötzlich blieb sie stehen. »Hier würde ich mich gern etwas umschauen!« Sie wies auf ein Geschäft mit zahlreichen Schaufenstern. Sein Schweigen wertete sie offenbar als Zustimmung, und so folgte er ihr hinein. »Sieh dich doch einfach um. Ich komme dann später nach!« Und schon war sie in der Dessousabteilung verschwunden. Offenbar rechnete sie damit, dass er ihr nicht folgen, sondern stattdessen den Verlockungen der Männermode erliegen würde. Nichts
lag ihm ferner. Um sie nicht zu enttäuschen, sah sich Arian pflichtschuldig um.
    Nach einer Weile bemerkte er, dass ein Verkäufer ihm misstrauische Blicke zuwarf. Offenbar verhielt er sich nicht unauffällig genug. Also beobachtete er andere Kunden und stellte fest, dass die meisten früher oder später etwas aussuchten und damit zur Kasse gingen. Doch er hatte kein Geld und konnte ihrem Beispiel nicht folgen. Andere verschwanden hinter einer Pendeltür und kamen umgezogen wieder hervor, verschwanden erneut, sahen aus wie vorher und gingen fort. Die meisten wirkten nicht besonders glücklich, während sie sich ihren Begleiterinnen präsentierten.
    Ihm war klar, dass er nicht viel länger in den geliehenen Jeans und dem zu kleinen T-Shirt herumlaufen konnte. Also suchte er sich eine Hose und Hemden heraus, die aussahen, als könnten sie passen. So hatte er es in den letzten Jahren immer gehandhabt;

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