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Fluegelschlag

Titel: Fluegelschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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und die unermessliche Energie ihrer strahlenden Erscheinung ertragen. Nur für Sekunden hatte er sein wahres Gesicht gezeigt, und doch war es zu viel für den Mann gewesen. Hätte ihm ein Schutzengel zur Seite gestanden, hätte dieser das Schlimmste verhindern können. Doch niemand war gekommen, um der armen Seele beizustehen. Arian betete, dass sie trotzdem ihren Weg finden würde. Er konnte nichts tun, wollte er Juna nicht allein lassen oder seine wahre Identität vor ihr enthüllen. Er drängte zur Eile. Das Auto stand nicht weit entfernt in einer Seitenstraße, und alles, woran er dachte, war, Juna in Sicherheit zu bringen. Unausgesprochen hing sein Versprechen in der Luft, später alles zu erklären. Allerdings hatte Arian bisher keine Ahnung, wie er das tun sollte, ohne zu viel von sich preiszugeben und sie noch tiefer in Ereignisse hineinzuziehen, die viel zu gefährlich für sie waren. Schlimmstenfalls würde er ihr die Erinnerung an die letzten Tage nehmen müssen.
    Doch die Frage war, ob er sie überhaupt ungeschützt zurücklassen durfte. Kein Schutzengel war aufgetaucht, um sie vor der realen Gefahr, in der sie sich befunden hatte, zu bewahren. Wusste ihr Schutzengel, dass ein Wächter ausreichend Macht besaß, um seinen Schützling vor weiteren Gefahren zu bewahren? Vielleicht war er auch verschwunden wie der ihres Bruders?
    Während der Fahrt schwiegen sie, und als sie wenig später in ihre Straße einbogen, stand dort ein kleiner Lieferwagen.
Der Fahrer war ausgestiegen und klingelte an der Tür.
    »Halt hier an der Ecke an!«
    »Aber …«
    »Bitte, Juna! Halt an und bleib im Auto sitzen. Wenn etwas Ungewöhnliches geschehen sollte, fährst du auf der Stelle weg. Okay?«
    »Das ist doch nur ein Postbote. Was ist hier eigentlich los?«
    »Das erkläre ich dir später.« Nicht, wenn er es vermeiden konnte. Arian sprang aus dem Wagen und joggte bis zum Gartentor der Tierarztpraxis, dabei sah er sich nicht einmal um. »Hallo! Kann ich Ihnen helfen?«
    Erleichtert sah der Fahrer ihn an. »Ich dachte schon, es ist keiner da.« Leichter Vorwurf schwang darin mit. »Sind Sie …« Weiter kam er nicht.
    »Das ist für die Praxis.« Arian nahm ihm das Päckchen ab und berührte ihn dabei wie zufällig. Nichts. Der Mann war, was er zu sein schien: ein einfacher Zusteller, der lediglich seinen Job machte.
    Arians Anspannung ließ etwas nach. Eilig unterschrieb er die Empfangsbestätigung und fragte sich, ob es der Bote überhaupt bemerken würde, wenn er anstelle einer unlesbaren Unterschrift einfach drei Kreuze malen würde. Offenbar nicht. Der Mann sah kaum auf das zerkratzte Display, nahm den Stift entgegen, bedankte sich und sprang in seinen Transporter.
     
    Juna hatte nicht im Auto gewartet. Warum auch? Der Bote kam regelmäßig und brachte Medikamente. Diese hatte sie heute Mittag bestellt. Im Vorbeigehen nahm sie Arian die
Schachtel aus der Hand. »Auf die habe ich schon gewartet. Es gibt da ein paar Dinge, die ich gern erklärt hätte.« Sie ging an ihm vorbei.
    Als sie aus dem Auto hatte beobachten müssen, wie er erneut über ihr Leben bestimmt hatte, ohne sie zu fragen, ob sie damit überhaupt einverstanden war, hatte sie endlich erkannt, dass sie so nicht weitermachen durfte. In den letzten Tagen war ihr ein Einbrecher gewissermaßen vor die Füße gefallen, den sie dann auch noch - der Himmel mochte wissen, warum - beherbergt hatte. Zu allem Überfluss hatte sie sowohl das an sich schon bemerkenswerte Auftauchen Arians als auch seine anschließende Anwesenheit vor ihrer Mitbewohnerin und besten Freundin verheimlicht. Und das, obwohl sie doch wohl ein Recht darauf hatte zu erfahren, wer da neuerdings auf dem Sofa übernachtete. Juna war vertrauensselig bis zur Idiotie gewesen, hatte gerade eine Gewalttat aus nächster Nähe erlebt und war anschließend auch noch selbst bedroht worden. Wenn man die letzten Tage mit klarem Kopf betrachtete, wirkten sie bereits so absurd, dass sie sich fragte, wer verrückt geworden war: Sie selbst oder der Rest der Welt?
    In ihrer Stadt gab es keine Schießereien. Zugegeben, gelegentlich hatten die Gangs mal Ärger miteinander und waren dabei nicht zimperlich, aber Schusswaffen in der Einkaufszone? Niemand hätte vor vierzehn Tagen geglaubt, dass dies möglich sein könnte. Und jetzt war es bereits zum zweiten Mal passiert.
    Auch wenn die Nachrichten über immer brutalere Gewalttaten in den letzten Wochen erschreckend zugenommen hatten, hatte sie bestimmt nicht damit

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