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Flüsterherz

Flüsterherz

Titel: Flüsterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Debora Zachariasse
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davon gleich kaputtgeht. Und außerdem hatte ich eine Heidenangst.«
    »Und warum hat diese komische Nudel von Tibby dir nicht aufgemacht?«, fragte er.
    »Tibby ist nicht komisch!«, rief ich. »Das sagst du nur, weil sie schwarz ist!«
    »Quatsch, darum geht’s überhaupt nicht. Von mir aus könnte sie lila sein. Was ich meine, ist, dass sie dich ausnutzt. Merkst du das denn gar nicht? Immer musst du ihr helfen. In Mathe, in Latein, bei der Gartenarbeit und bei was weiß ich noch. Und jetzt brauchst du sie ein einziges Mal, stehst panisch vor ihrer Tür, und sie lässt dich eiskalt abblitzen, mitten in der Nacht. So was machen Freunde nicht.«
    »Wir hatten Streit.«
    »Egal. So was machen Freunde nicht«, wiederholte Sam. »Auch nicht im Streit.«
    »Aber Tibby hat es so schwer. Wir vergnügen uns in Ägypten und sie muss die ganzen Ferien zu Hause rumhocken.«
    »Du hast doch immer gesagt, bei ihr sei es so schön. Richtig verliebt warst du in das Haus.«
    »Das war im Sommer. Jetzt ist der Garten kahl, im Haus zieht es, Tibbys Pa sitzt neben der Whiskypulle und singt und der Kühlschrank ist leer.«
    Sam legte den Arm um mich. »Und diese ganzen Probleme willst du allein lösen, Schwesterherz?«
    Es klang so teilnahmsvoll, dass ich mit einem Mal heulen musste. Wegen all der vielen Dinge, für die es keine Worte gab, nur Tränen.
    Sam strich mir unbeholfen übers Haar. Unbeholfen, aber liebevoll.
    Nach einer Weile versiegten die Tränen.
    Sam stand auf. »Na, dann will ich mal sehen, ob ich bei Pa ein gutes Wort für dich einlegen kann.«
    Ich nickte. Ich wollte noch etwas sagen, doch der Kloß im Hals war zu groß. Aber ich wusste, was ich als Nächstes tun würde: Schokolade für Sam kaufen. Ganz viel Schokolade.

2
    Ägypten war atemberaubend schön.
    Die Pyramiden, die unvorstellbar großen Pyramiden aus tonnenschweren Steinquadern, die so perfekt zusammengefügt sind, dass es niemandem je gelungen ist, sie nachzubauen. Die prachtvollen Tempel mit ihren Statuen aus rosa Granit und mächtigen Säulen voller Hieroglyphen, von denen ich manche lesen konnte, das meiste aber nicht. Das lecker gewürzte Essen. Rosa Karkadeh aus Hibiskusblüten. Seltsamerweise schmeckte dieser Tee in Ägypten göttlich und zu Hause fade und säuerlich.
    Wegen alldem wollte ich so schnell wie möglich wieder hin.
    Ein Traum war auch das Ägyptische Museum in Kairo mit den jahrtausendealten Mumien und herrlichen Schmuckstücken aus Gold und Lapislazuli. Und dann die bildschönen Tempelkatzen, schwarz mit goldenen Ohrringen.
    Die Ägypter waren die Ersten, die Katzen als Haustiere hielten. Sie schützten die Getreidevorräte gegen Mäuse und galten als lebensspendende Gottheiten.
    Ich selbst hatte nun endlich auch eine Katze. Eine schwarze aus Stein.
    Die ganze Zeit kam ich mir vor wie eine Prinzessin. Im Vergleich zu den ägyptischen Kindern lebte ich im Luxus und wurde nach Strich und Faden verwöhnt. Ich brauchte mich nicht um sieben kleine Geschwister zu kümmern, nicht den lieben langen Tag mühsam und mit gebeugtem Rücken Teppiche zu knüpfen, nicht eine Schule zu besuchen, wo man morgens weben lernt und nachmittags Koranunterricht hat.
    Sogar Tibby wäre dort steinreich.
    Als Mitbringsel für sie hatte ich eine hübsche kleine Anubis-Figur gekauft. So kam sie doch noch zu ihrem Schäferhund. Und für meine anderen Freundinnen niedliche Armbänder mit blauen Katzen und Steinskarabäen. Und eine witzige Rassel mit flach geklopften Kronkorken für Easy. An ihn musste ich immerzu denken und trotz allem, trotz der Märchenfische im Roten Meer, sehnte ich mich auch ein wenig nach Hause.

3
    Unsere Straße wirkte ordentlicher und öder denn je und es goss in Strömen. Wehmütig dachte ich an Ägypten, an das Wiegen der Palmen im Wind, an die besonderen Menschen, die gewundenen Gassen und die mageren roten Katzen, die frühmorgens aus den Abfallsäcken naschten.
    Wer einmal aus dem Nil trinkt, kommt wieder zu ihm zurück, sagt ein ägyptisches Sprichwort. Ich hatte natürlich nicht von dem schmutzigen Wasser getrunken, aber mir war, als würde der Nil durch meine Adern strömen, so groß war die Sehnsucht.
    Dass meine Strafe jetzt fällig wurde, machte die Sache nicht besser. Ich musste Pa beim Aufräumen des Gartenschuppens helfen, was eine echte Katastrophe war, denn der Mann ist ein Perfektionist. Als endlich die letzte Schraube, schön nach Größe sortiert, in der richtigen Schachtel lag, musste ich Ma helfen, das Silber zu

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