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Flüstern in der Nacht

Flüstern in der Nacht

Titel: Flüstern in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Blut. Würmer, die aus den Wänden kamen und aus glasigen Augen von Leichen hervorquollen. Untote, die von Krokodilen redeten. In dem Traum war Tonys Leben ein halbes Dutzend mal bedroht gewesen, aber jedesmal trat Hilary zwischen ihn und den Mörder, jedesmal starb sie für ihn. Ein verdammt beunruhigender Traum. Er hatte Angst, sie zu verlieren. Er liebte sie, liebte sie mehr, als er ihr je würde sagen können. Er konnte sich ausdrücken, empfand nicht das geringste Widerstreben, seinen Gefühlen Ausdruck zu geben; aber hier fehlten ihm die Worte, um der Tiefe und der Beschaffenheit seiner Gefühle für sie Ausdruck zu verleihen.
    Er glaubte nicht, daß er solche Worte fände; die Ausdrücke, die er kannte, erschienen primitiv, schwerfällig, hoffnungslos unzureichend. Sollte er Hilary verlieren, so würde das Leben natürlich weitergehen – aber nicht leicht, nicht glücklich, nicht ohne entsetzlich viel Schmerz und Leid. Er starrte zu der dunklen Decke empor und sagte sich, daß der Traum die Sorgen nicht lohne. Er bedeutete kein Omen, keine Prophezeiung. Nur ein Traum. Nur ein böser Traum. Nichts anderes.
    In der Ferne vernahm er das Pfeifen eines Zuges, zweimal, ein kaltes, einsames, klagendes Geräusch, das ihn dazu veranlaßte, sich die Decke bis zum Kinn hochzuziehen.
     
    Bruno gelangte zu der Überzeugung, daß Katherine vielleicht in Leos Haus auf ihn wartete.
    Er verließ sein eigenes Haus und ging quer durch die Weingärten, Messer und Taschenlampe nahm er mit. Im ersten fahlen Licht der Morgendämmerung – der größte Teil des Himmels war noch schwarzblau und das Tal lag noch im verblassenden Halbschatten der Nacht – hastete er zu dem Haus auf der Klippe. Er fuhr nicht mit der Seilbahn hinauf; dazu hätte er das Weingut betreten und durchs Obergeschoß zur Talstation gehen müssen. Er riskierte nicht, dort gesehen zu werden, denn er rechnete damit, daß das ganze Anwesen von Katherines Spionen nur so wimmelte. Er wollte sich ans Haus heranpirschen, und das funktionierte nur, wenn er die Treppe an der Klippenwand benutzte. Zuerst bewegte er sich eilig, nahm mit jedem Schritt zwei Stufen, erkannte aber bald, daß Vorsicht geboten schien. Die Treppe war baufällig geworden. Man hatte sie nicht so gut in Schuß gehalten wie die Seilbahn. Jahrzehnte des Regens, des Windes und der sommerlichen Hitze konnten an dem Mörtel nagen. Kleine Steinchen, Stücke aus praktisch jeder einzelnen der dreihundertzwanzig Stufen, brachen unter seinen Schritten ab und prasselten in die Tiefe. Ein paarmal verlor er das Gleichgewicht, wäre beinahe gestürzt oder seitlich abgerutscht. Das Geländer war ebenfalls verfallen, ganze Stücke fehlten; stieße er versehentlich dagegen, könnte es seinen Fall nicht aufhalten. So stieg er langsam, vorsichtig die Stufen hinauf und erreichte schließlich die Klippe. Er tappte über die Rasenfläche, die inzwischen das Unkraut in Beschlag genommen hatte. Dutzende von Rosenbüschen, einstmals sorgfältig gepflegt und geschnitten, reckten ihre dornenbesetzten Tentakel nach allen Richtungen und bildeten jetzt ein wirres Durcheinander von Gestrüpp ohne Blumen. Bruno öffnete die Tür zu dem ausgedehnten viktorianischen Palast und durchsuchte die modrigen, verstaubten, von Spinnweben durchzogenen Räume, die nach Schimmel rochen. Das Haus war vollgestopft mit alten Möbeln, Skulpturen und vielen anderen Dingen, aber es enthielt nichts Unheimliches. Die Frau wartete auch hier nicht auf ihn.
    Er wußte nicht, ob das Gutes oder Schlechtes bedeutete. Einerseits hatte sie sich nicht hier eingenistet, seine Abwesenheit nicht ausgenutzt. Das war gut. Darüber schien er erleichtert. Aber andererseits – wo, zum Teufel, steckte sie? Die Verwirrung, die ihn erfaßte, steigerte sich. Seine Fähigkeit, klar zu denken, hatte schon vor Stunden angefangen, ihn wieder im Stich zu lassen. Jetzt konnte er auch seinen fünf Sinnen nicht mehr trauen. Manchmal glaubte er, Stimmen zu vernehmen, verfolgte sie durchs Haus, nur um dann festzustellen, daß er seinem eigenen Murmeln folgte. Manchmal roch der Schimmel gar nicht wie Schimmel, sondern wie das Lieblingsparfüm seiner Mutter; doch im nächsten Augenblick roch es wieder nach Schimmel. Beim Betrachten vertrauter Gemälde, die seit seiner Kindheit an den Wänden hingen, konnte er nicht erkennen, was sie darstellten; die Umrisse und Farben wollten sich nicht auflösen, und selbst die einfachsten Bilder blieben ihm ein Rätsel. Er stand vor einem

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