Flüstern in der Nacht
Raum?« »Ich weiß es nicht«, entgegnete Rudge. »Ich hatte erwartet, es in einer der nächsten Sitzungen herauszufinden. Aber damals sah ich ihn zum letzten Mal.«
Als sie in Joshuas Cessna saßen und nach Hollister weiterflogen, meinte Tony: »Meine Meinung bezüglich dieser Geschichte ändert sich immer wieder.« »In welcher Hinsicht?« fragte Joshua.
»Nun, zuerst sah ich das ganz einfach, sozusagen in Schwarzweiß. Hilary war das Opfer, und Frye der Bösewicht. Aber jetzt ... vielleicht ... ist Frye in gewisser Weise auch ein Opfer.«
»Ich weiß, was du meinst«, unterstützte ihn Hilary. »Nachdem ich diese Bänder hörte ... tat er mir richtig leid.« »Es ist durchaus in Ordnung, daß er einem leidtut«, meinte Joshua, »solange Sie dabei nicht vergessen, daß er verdammt gefährlich ist.« »Ist er denn nicht tot?« »Ist er das?«
Hilary hatte ein Drehbuch geschrieben, und zwei Szenen spielten in Hollister. Daher kannte sie das Städtchen ein wenig. Auf den ersten Blick glich Hollister hundert anderen Kleinstädten in Kalifornien. Es gab ein paar hübsche und einige häßliche Straßen, neue Häuser und alte. Palmen und Eichen, Oleanderbüsche, und, da es sich hier um einen trockenen Landstrich handelte, mehr Staub als anderswo, aber der fiel einem erst auf bei starkem Wind.
Was Hollister von anderen Städten unterschied, lag unter seiner Oberfläche. Geologische Falten. Die meisten Ortschaften in Kalifornien waren in der Nähe von geologischen Falten oder gar auf ihnen erbaut, die sich hier und da verschoben und damit Erdbeben verursachten. Aber Hollister war nicht nur auf einer einzigen Falte erbaut; es stand auf einer seltenen Ansammlung von Falten, einem Dutzend vielleicht oder mehr, größerer und kleinerer, darunter auch der San-Andreas-Falte.
Hollister bildete eine Stadt der Bewegung; es wurde an jedem Tag des Jahres von wenigstens einem Erdbeben erfaßt. Die meisten Erdstöße lagen natürlich im mittleren oder unteren Bereich der Richter-Skala. Dem Erdboden war die Stadt noch nie gleichgemacht worden. Aber die Bürgersteige zeigten sich aufgesprungen und verworfen. Es konnte durchaus sein, daß ein Weg sich am Montag eben, am Dienstag ein wenig verschoben und am Mittwoch wieder ganz glatt zeigte. An manchen Tagen erschütterten ganze Ketten von leichten Erdstößen sanft die Stadt, mit ganz kurzen, ein- oder zweistündigen Pausen dazwischen. Aber die Bewohner von Hollister wurden sich dieser sehr kleinen Erdbewegungen nur selten bewußt, ebenso wie die Menschen, die im Skigebiet der Sierras lebten, solche Schneefälle nur selten zur Kenntnis nahmen, die höchstens einen Zoll Schnee brachten. Im Lauf der Jahrzehnte hatte die sich stets in Bewegung befindliche Erde den Verlauf einiger Straßen in Hollister verändert; breite, einmal gerade verlaufende Avenues erschienen jetzt etwas gebogen, gelegentlich sogar regelrecht krumm. In den Lebensmittelgeschäften gab es Regale, die nach hinten geneigt oder mit Drahtgittern bedeckt waren, damit Flaschen und Dosen nicht bei jeder Erschütterung herunterfielen. Manche Leute lebten in Häusern, die allmählich in instabiles Land abrutschten, aber der Vorgang des Sinkens ging so langsam vor sich, daß man sich darüber nicht beunruhigte und keine Eile entwickelte, eine neue Bleibe zu finden; man reparierte einfach die Sprünge in den Wänden und hobelte die Türen an den Unterkanten ab. Hie und da bauten Leute in Hollister zusätzliche Zimmer an ihre Häuser an, ohne dabei zu bedenken, daß der Anbau vielleicht auf der einen Seite einer Falte und das Haus auf der anderen Seite stehen könnten. In der Folgezeit, im Lauf der Jahre, bewegte sich das neue Zimmer mit gemächlicher, schildkrötenartiger Entschlossenheit – nach Norden, Süden, Osten oder Westen, je nach Verlauf der Falte –, während der Rest des Hauses stillstand oder sich langsam in entgegengesetzter Richtung bewegte; ein subtiler, aber dennoch machtvoller Prozeß, der am Ende unweigerlich den Anbau vom Hauptgebäude abreißen würde. In den Kellern einiger Häuser fanden sich Senklöcher, bodenlose Gruben; diese Gruben breiteten sich unaufhaltsam unter den Gebäuden aus und würden sie eines Tages verschlingen, aber bis dahin lebten und arbeiteten die Bürger von Hollister ungeniert darüber weiter. Eine Menge Leute wäre zweifellos von der Vorstellung entsetzt, in einer Stadt zu leben, in der man (wie das manche Bewohner der Stadt ausdrückten) »des Nachts schlafen gehen und
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