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Flüstern in der Nacht

Flüstern in der Nacht

Titel: Flüstern in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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eine Uhr.
     
    Hilary und Tony setzten sich auf die vorderste Kante des Sofas, so als hätten sie Angst, sich anzulehnen und den Bezug zu zerdrücken. Hilary bemerkte, daß jeder der zahllosen Nippesgegenstände staubfrei und auf Hochglanz poliert war. Sie hatte das Gefühl, Rita Yancy würde sofort aufspringen und einen Staublappen holen, falls jemand versuchte, jene wertvollen Besitztümer zu bewundern oder gar zu berühren. Joshua hatte es sich in einem Armsessel bequem gemacht. Sein Kopf und seine Ellbogen ruhten auf weißen Kissenschonern.
    Mrs. Yancy nahm in einem anderen Sessel Platz, offenbar ihr Lieblingsstuhl; sie schien einen Teil seines Wesens übernommen zu haben und der Sessel von ihr. Man konnte sich gut vorstellen, dachte Hilary, wie Mrs. Yancy und der Sessel zu einem einzigen organisch-anorganischen Gebilde mit sechs Beinen und Samthaut zusammenwuchsen.
    Die alte Frau griff nach einer blau-grün gemusterten Decke, die zusammengefaltet auf dem Fußschemel lag. Sie entfaltete die Decke und legte sie sich auf den Schoß. Einen Augenblick lang herrschte völliges Schweigen; es schien, als würde sogar die Uhr auf dem Kaminsims innehalten, als wäre die Zeit stehengeblieben, als hätte man sie blitzschnell eingefroren und auf magischem Weg mit dem ganzen Zimmer zu einem fernen Planeten transportiert, um sie in der Erdabteilung eines extraterrestrischen Museums zur Schau zu stellen.
    Dann sprach Rita Yancy, und das, was sie sagte, erschütterte das Bild von Gemütlichkeit und Wohlanständigkeit, das Hilary sich von ihr gemacht hatte, auf das empfindlichste. »Nun, hat ja wohl keinen Sinn, lang um den heißen Brei herumzureden. Schließlich habe ich keine Lust, den ganzen Tag mit dieser Albernheit zu vergeuden. Wollen wir also gleich zur Sache kommen. Sie wollen wissen, warum Bruno Frye mir fünfhundert Eier pro Monat zahlte. Das war Schweigegeld. Er hat mich bezahlt, damit ich den Mund halte. Seine Mutter hat mir fast fünfunddreißig Jahre lang jeden Monat denselben Betrag überwiesen. Als sie starb, fing Bruno an, mir Schecks zu schicken. Ich muß zugeben, daß mich das ganz schön erstaunt hat. Heutzutage findet man nur noch selten einen Sohn, der so viel Geld bezahlt, um den Ruf seiner Mutter zu schützen – insbesondere, nachdem sie bereits ins Gras gebissen hat. Aber er hat gezahlt.«
    »Wollen Sie damit sagen, daß Sie Mr. Frye und vor ihm seine Mutter erpreßt haben?« fragte Tony erstaunt. »Nennen Sie es, wie Sie wollen: Schweigegeld oder Erpressung, oder wie es Ihnen beliebt.«
    »Nach dem, was Sie uns bis jetzt mitteilten«, meinte Tony, »glaube ich, daß das Gesetz es Erpressung und nicht anders nennen würde.«
    Rita Yancy lächelte ihn an. »Glauben Sie, daß das Wort mir etwas ausmacht? Glauben Sie, ich habe Angst davor? Fange nun innerlich zu zittern an? Söhnchen, lassen Sie sich von mir sagen – man hat mir zu meiner Zeit schon Schlimmeres vorgeworfen. Wollen Sie das Wort Erpressung benutzen? Nun, mir soll's recht sein. Erpressung. Das ist es schließlich. Wir wollen ihm kein hübscheres Gesicht überstülpen. Aber wenn Sie natürlich so dumm sein sollten, eine alte Dame vor Gericht zu zerren, werde ich dasselbe Wort dann nicht mehr benutzen. Ich werde lediglich sagen, daß ich vor langer Zeit Katherine Frye einen großen Gefallen erwiesen habe und daß sie darauf bestand, sich dafür mit einem monatlichen Scheck bei mir zu revanchieren. Sie haben ja schließlich keine Beweise, oder? Das ist ein Grund, weshalb ich es von Anfang an monatlich wollte. Ich meine, bei Erpressung geht man davon aus, daß man einmal zuschlägt und dann abhaut, einen zu großen Bissen nimmt, den die Anklage meistens feststellen kann. Aber wer würde schon glauben, daß ein Erpresser sich auf eine bescheidene Monatszahlung einläßt?«
    »Wir haben nicht die Absicht, Anklage gegen Sie zu erheben«, versicherte ihr Joshua. »Und wir sind auch nicht im geringsten daran interessiert, das Geld zurückzufordern, das man Ihnen bezahlt hat. Wir wissen wohl, daß das wenig Aussicht auf Erfolg hätte.«
    »Gut«, meinte Mrs. Yancy. »Ich würde mich auch zur Wehr setzen, und Sie würden sich eine blutige Nase dabei holen.« Sie zupfte sich die Decke zurecht.
    Die muß ich mir gut merken, dachte Hilary. Alles, was sie sagt und tut. Irgendwann einmal wird sie eine großartige kleine Charakterrolle in irgendeinem Film abgeben: eine Oma mit Pep und ein wenig Fäulnis.
    »Wir sind lediglich an einigen Informationen

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