Flüstern in der Nacht
Aber er blinzelte ein paarmal und drängte die Tränen zurück. Mit verzweifelt klingender Stimme fuhr er fort: »Ich schäme mich, das zuzugeben, aber als ich die Höhe der Erbschaft erfuhr, tat es mir plötzlich gar nicht mehr leid, daß mein alter Herr gestorben war. Die Versicherungspolicen tauchten etwa eine Woche nach dem Begräbnis auf; und in dem Augenblick, da ich sie fand, dachte ich, Wilma. Plötzlich war ich so verdammt glücklich, daß ich mich einfach nicht mehr halten konnte. Mein Paps hätte ebensogut schon zwanzig Jahre tot sein können. Mir wird speiübel bei dem Gedanken daran. Ich meine, mein Vater und ich standen einander nie besonders nahe, aber ich schuldete ihm wirklich etwas mehr Trauer. Herrgott, war ich damals ein selbstsüchtiger Schweinehund, Tony!«
»Es ist vorbei, Frank, vorbei«, entgegnete Tony. »Und wie ich schon bemerkte, du warst wohl ein wenig durcheinander. Eigentlich warst du für das, was du tatest, gar nicht richtig verantwortlich.«
Frank bedeckte sein Gesicht mit beiden Händen und saß wenigstens eine Minute lang so da, zitternd; aber er weinte nicht. Schließlich blickte er Tony an und meinte: »Als sie sah, daß ich fast hundertfünfundzwanzigtausend Dollar besaß, willigte Wilma in die Heirat ein. In acht Monaten hatte sie mich ausgenommen.«
»Aber die Gesetze bezüglich der Gütergemeinschaft sind in Kalifornien doch recht eindeutig geklärt«, behauptete Tony. »Wie konnte sie mehr als die Hälfte deines Vermögens bekommen?«
»Oh, bei der Scheidung hat sie nichts gekriegt.« »Was?«
»Keinen Penny.« »Warum?«
»Da war schon alles weg.« »Weg?«
»Ja – weg – hui – alle!« »Sie hat es verbraucht?«
»Gestohlen«, sagte Frank so leise, daß man es kaum hören konnte.
Tony legte seinen Cheeseburger beiseite und wischte sich mit einer Serviette über den Mund. »Gestohlen? Wie?«
Frank war sehr betrunken, sprach aber plötzlich mit geradezu unheimlicher Klarheit und Präzision. Es schien ihm wichtig, daß diese Anklage, die er jetzt gegen sie vorbrachte, mehr als alles andere in seiner Darstellung, deutlich verstanden wurde. Sie hatte ihm nur seine Empörung gelassen, und die wollte er jetzt mit Tony teilen. »Gleich nach der Hochzeitsreise teilte sie mir mit, daß sie unsere Buchhaltung übernehmen, sich um alle unsere Bankgeschäfte kümmern würde; sie wollte unsere Anlagen überwachen und das Scheckbuch führen. Sie besuchte sogar einen Kursus für Anlagenplanung und stellte einen detaillierten Haushaltsplan auf. Sie klang sehr entschlossen, sehr geschäftsmäßig; und ich war wirklich sehr froh darüber, weil sie ganz so wie Barbara Ann zu wirtschaften schien.«
»Hattest du ihr erzählt, daß Barbara Ann all diese Dinge für dich erledigte?«
»Ja, allerdings. Herrgott, ich hab' selbst meinen Kopf in die Schlinge gelegt. Und wie ich das forciert habe!« Plötzlich verspürte auch Tony keinen Hunger mehr. Frank fuhr sich mit zittrigen Fingern durchs Haar. »Sieh' mal, ich hatte wirklich keinen Grund, sie zu verdächtigen. Ich meine, schließlich war sie gut zu mir. Sie kochte meine Lieblingsspeisen. Sie wollte immer hören, was untertags passiert war, und interessierte sich stets für meine Arbeit. Von Kleidern und Schmuck hielt sie gar nichts. Wir gingen hier und da essen oder ins Kino, aber sie meinte immer, das sei nur Geldverschwendung. Sie behauptete, ebenso glücklich zu sein, wenn sie mit mir nur zu Hause vor dem Fernseher säße oder sich mit mir unterhielte. Sie hatte es auch nicht eilig, ein Haus zu kaufen. Sie erschien richtig ... locker. Kam ich steif und verkrampft nach Hause, so massierte sie mich. Und im Bett ... da war sie fabelhaft. Wirklich vollkommen. Nur daß sie ... daß sie ..., wenn sie nicht gerade kochte, mir zuhörte, mich massierte oder bumste, daß mir Hören und Sehen verging . . .«
»Eure gemeinsamen Konten leerte.«
»Bis zum letzten Dollar. Alles, bis auf zehntausend Dollar, die ich langfristig angelegt hatte.«
»Und dann ist sie einfach abgehauen?« Frank überlief ein Schauder. »Eines Tages kam ich nach Hause und fand einen Zettel, auf dem stand: ›Wenn du wissen möchtest, wo ich bin, rufe diese Nummer an und verlange Mr. Freyborn.‹ Mr. Freyborn war Anwalt. Sie hatte ihn beauftragt, die Scheidung einzureichen. Ich war wie benommen. Ich meine, es gab keinerlei Andeutungen ... Jedenfalls lehnte Freyborn es ab, mir ihre Adresse mitzuteilen. Er meinte, es handle sich um einen einfachen Fall bei uns,
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