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Flug 2039

Flug 2039

Titel: Flug 2039 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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Kinn. Hohe Wangenknochen. Ich verlange eine Maniküre, und ich will von der Sonne gebräunt sein.
    Ich versuche mich an alles andere zu erinnern, was Fertility nicht an meinem Aussehen gefällt.

Kapitel 29
    Irgendwo über Nebraska fällt mir ein, dass ich meinen Fisch vergessen habe.
    Der hat bestimmt Hunger.
    Es gehörte zur credistischen Tradition, dass auch Arbeitsmissionare etwas hatten, das sie hegen und pflegen konnten, eine Katze, einen Hund, einen Fisch. Meistens war es ein Fisch. Hauptsache, man wurde nachts zu Hause gebraucht. Hauptsache, man lebte nicht ganz allein.
    Der Fisch verlangt, dass ich mich an einem festen Ort niederlasse. Nach der Kirchenlehre ist das auch der Sinn der Ehe und des Kinderkriegens. Hauptsache, man hat einen Mittelpunkt in seinem Leben.
    Es ist verrückt, aber man investiert seine ganzen Gefühle in diesen einzigen kleinen Goldfisch, auch wenn man vorher schon sechshundertvierzig andere Goldfische hatte, und man bringt es einfach nicht über sich, das winzige Ding verhungern zu lassen.
    Während die Stewardess die Hand, mit der ich sie am Ellbogen festhalte, abzuschütteln versucht, sage ich ihr, dass ich noch mal zurückmuss.
    Ein Flugzeug, das ist eine in Sitzreihen angeordnete Menge von Leuten, die sich hoch über dem Erdboden alle in dieselbe Richtung bewegen. Einen Flug nach New York stelle ich mir ungefähr so vor wie den Aufstieg in den Himmel.
    Dazu ist es zu spät, sagt die Stewardess. Sir. Das ist ein Nonstopflug. Sir. Wenn wir gelandet sind, sagt sie, könne ich ja vielleicht jemanden anrufen. Sir.
    Aber da ist niemand.
    Niemand wird das verstehen.
    Weder der Hausverwalter.
    Noch die Polizei.
    Die Stewardess reißt ihren Ellbogen los. Sie sieht mich seltsam an und geht dann den Gang hinunter.
    Alle anderen, die ich anrufen könnte, sind tot.
    Also rufe ich den einzigen Menschen an, der helfen kann. Ich rufe den letzten Menschen an, mit dem ich reden möchte, und sie nimmt gleich beim ersten Klingeln ab.
    Die Vermittlung fragt sie, ob sie die Kosten übernehmen will, und irgendwo ein paar hundert Meilen hinter mir sagte Fertility Ja.
    Ich sagte hallo, und sie sagte hallo. Sie klingt kein bisschen überrascht.
    »Warum warst du heute nicht an Trevors Grab?«, fragte sie mich. »Wir hatten eine Verabredung.«
    Hab ich vergessen, sage ich. In meinem Leben dreht sich alles ums Vergessen. Das ist meine wertvollste Fähigkeit.
    Es geht um meinen Fisch, sage ich. Der wird sterben, wenn ihn niemand füttert. Für sie mag das vielleicht nicht besonders wichtig erscheinen, aber dieser Fisch bedeutet mir alles. Dieser Fisch ist jetzt das Einzige, was mir noch Sorgen macht, und Fertility muss einfach hinfahren und ihn füttern, oder besser noch, sie holt ihn zu sich nach Hause.
    »Ja«, sagt sie. »Klar. Dein Fisch.«
    Ja. Und der muss täglich gefüttert werden. Sein Lieblingsfutter liegt neben dem Goldfischglas auf meinem Kühlschrank. Dann gebe ich ihr die Adresse.
    »Viel Spaß auf deinem Weg zur internationalen Geistesführerschaft«, sagt sie.
    Das Flugzeug bringt mich nach Osten, und unser Gespräch wird über stetig zunehmende Distanzen geführt. Die Probekapitel meiner Autobiographie auf dem Sitz neben mir haben mich total schockiert.
    Ich frage sie, woher sie das weiß.
    »Ich weiß viel mehr, als du mir zutraust«, sagt sie.
    Was denn zum Beispiel, frage ich. Was weiß sie denn sonst noch?
    »Gibt es denn etwas, das ich nicht wissen darf?«, sagt Fertility.
    Die Stewardess verschwindet hinter einem Vorhang und sagt: »Er macht sich Sorgen um einen Goldfisch.« Ein paar Frauen hinter dem Vorhang lachen, und eine sagt dann: »Ist er geistig zurückgeblieben?«
    Meine Antwort gilt sowohl der Crew als auch Fertility. Ich sage: Ich bin rein zufällig der letzte Überlebende einer nahezu ausgestorbenen Religion.
    »Wie schön für dich«, sagt Fertility.
    Ich sage: Und ich kann dich nie mehr wiedersehen.
    »Ja, ja, ja.«
    Ich sage: Morgen werde ich in New York erwartet. Da ist was Großes für mich geplant.
    Und Fertility sagt: »Ja, sicher doch.«
    Ich sage: Schade eigentlich, dass wir nie mehr miteinander tanzen werden.
    Und Fertility sagt: »Doch, das werden wir.«
    Da sie so viel weiß, frage ich sie, wie mein Fisch heißt.
    »Nummer sechs-einundvierzig.«
    Und Wunder über Wunder, das stimmt.
    »Versuch erst gar nicht, mir was zu verheimlichen«, sagt sie. »Bei all den Träumen, die ich jede Nacht habe, überrascht mich kaum noch etwas.«

Kapitel 28
    Schon nach den

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