Flug 2039
aus dem Stadion zu verschwinden.«
Ich frage: Chaos?
Die Pistole sagt: »Wir warten in einem Auto auf dich.«
Der Mund sagt: »In einem roten Auto.«
Die Pistole fragt: »Wie wollen Sie das wissen? Wir haben ja noch gar keins organisiert.«
»Ich weiß alles«, sagt der Mund. »Wir stehlen ein rotes Auto mit Automatikgetriebe, weil ich mit Schalthebeln nicht umgehen kann.«
»Okay«, sagt die Pistole. »Ein rotes Auto.«
»Okay«, sagt der Mund.
Ich bin total aufgeregt. Ich sage: Gib mir das Wunder. Und Fertility gibt mir das Wunder. Das größte Wunder meiner Karriere.
Und sie hat Recht.
Es wird Chaos ausbrechen.
Das absolute Inferno.
Kapitel 16
Um elf Uhr am nächsten Morgen lebt der Agent noch.
Der Agent lebt auch noch um zehn nach elf und um Viertel nach elf.
Der Agent lebt auch noch um halb zwölf und um Viertel vor zwölf.
Um zehn vor zwölf chauffiert mich der Veranstaltungskoordinator vom Hotel zum Stadion.
Da ständig all diese Leute um uns sind, Koordinatoren und Vertreter und Manager, kann ich den Agenten nicht fragen, ob er eine Flasche Truth – Der Duft dabei hat und wann er das nächste Mal daran riechen wird. Ich kann ihm einfach nicht sagen, dass er heute an keinem Parfüm schnüffeln soll. Dass da Gift drin ist. Dass der Bruder, den ich nicht habe und den ich noch nie gesehen habe, sich am Gepäck des Agenten zu schaffen gemacht hat, um dessen Parfüm zu vergiften. Jedes Mal wenn ich den Agenten sehe, jedes Mal wenn er auf die Toilette geht oder ich mich mal kurz von ihm abwenden muss, könnte ich ihn zum letzten Mal gesehen haben.
Nicht dass mir der Agent so sehr am Herzen liegt. Ich kann mir seine Beerdigung mühelos vorstellen, was ich dazu anziehe, was ich in der Grabrede sage. Kichernd. Und dann sehe ich Fertility und mich an seinem Grab Tango tanzen.
Aber ich will nicht als Massenmörder vor Gericht stehen.
Die Sozialarbeiterin würde in diesem Zusammenhang von einer Annäherungs-Vermeidungs-Situation sprechen.
Egal, was ich über das Parfüm sage, das Gefolge wird es der Polizei Wort für Wort verklickern, falls er tatsächlich tot umfällt.
Um halb fünf sind wir im Stadion hinter der Bühne. Klapptische mit frisch geliefertem Essen, geliehene Garderobe, Smoking und Hochzeitskleid auf Bügeln. Der Agent lebt immer noch und fragt mich, welch großes Wunder ich in der Halbzeitpause zu verkünden gedenke.
Das verrate ich nicht.
»Aber es ist doch ein großes, oder?«, will der Agent wissen.
Ja, ein großes.
Groß genug, dass alle im Stadion mich in den Arsch werden treten wollen.
Der Agent sieht mich mit hochgezogenen Brauen an.
Das Wunder ist so groß, dass alle Polizisten der Stadt alle Hände voll zu tun haben werden, die Menge daran zu hindern, mich zu lynchen. Das alles sage ich dem Agenten nicht. Ich sage ihm nicht, dass gerade das ja der Witz ist. Die Polizisten werden so sehr damit beschäftigt sein, mein Leben zu bewahren, dass sie mich nicht wegen Mordes werden verhaften können. Davon erzähle ich dem Agenten nichts.
Kurz nach fünf lebt der Agent immer noch, und ich werde in einen weißen Smoking mit weißer Frackschleife geschnallt. Der Friedensrichter tritt auf mich zu und sagt, alles sei unter Kontrolle. Ich brauche nur ein- und auszuatmen.
Die Braut kommt im Hochzeitskleid zu mir rüber; sie reibt sich den Ringfinger mit Vaseline ein und sagt: »Mein Name ist Laura.«
Das ist nicht das Mädchen von gestern aus der Limousine.
»Das war Trisha«, sagt die Braut. Trisha sei erkrankt, Laura sei für sie eingesprungen. Das mache aber nichts. Ich werde trotzdem mit Trisha verheiratet sein, auch wenn sie jetzt nicht dabei sein könne. Trisha sei immer noch die Favoritin des Agenten.
»Die Kameras werden nichts mitkriegen«, sagt Laura. Sie trägt einen Schleier.
Die Leute machen sich über das Büfett her. Neben den Stahltoren, durch die man zu den Seitenlinien kommt, halten sich Angestellte des Floristen bereit, um nachher den Altar aufs Spielfeld zu verfrachten. Die Kandelaber. Die mit weißen Seidenblumen geschmückten Baldachine. Rosen und Pfingstrosen und weiße Wicken und Levkojen, alle spröde und klebrig von dem Haarspray, das sie stabilisieren soll. Ein Riesenstrauß für die Braut, Dahlien und Tulpen aus Kunstseide und Gladiolen und meterweise weißes Geißblatt aus Seide.
Das sieht sehr schön und echt aus, wenn man weit genug weg ist.
Das Flutlicht ist ziemlich hell, sagt die Maskenbildnerin und malt mir einen riesigen roten Mund ins
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