Flug in Die Nacht
Bombenangriffe und die Verminung der vietnamesischen Häfen hatten sie 1972 seine Beendigung erzwungen, aber da war es schon zu spät gewesen. Das amerikanische Volk hatte genug, und »Vietnamisierung«, »ehrenvoller Abzug« und zuletzt die Niederlage waren ihm erträglicher erschienen als die abendlichen Fernsehberichte über ständig höhere Verluste.
Daraus muß sich eine Lehre ziehen lassen, dachte Elliott, und nachdem er sich einige deprimierende Minuten lang an Kameraden erinnert hatte, die im Vietnamkrieg gefallen waren, war er froh, daß sie zum Arc Light Memorial gefahren waren, bevor ihr neues Unternehmen auf den Philippinen begann.
Damals wie heute hatte Amerika eine weit überlegene Luftwaffe besessen – und trotzdem hatten sie den Vietnamkrieg verloren. Sie hatten ihn verloren, weil die Entscheidung, Amerikas gewaltige Luftstreitkräfte einzusetzen, ständig verzögert, hinausgeschoben und in Ausschüssen und Stäben zu Tode diskutiert worden war.
Obwohl er nicht direkt an Planung und Durchführung dieses neuen Unternehmens auf den Philippinen beteiligt war, wußte Elliott, daß er die Pflicht hatte, eine Wiederholung solcher Fehler zu verhindern. Sie waren imstande, die Eskalation zu kontrollieren und den Chinesen und allen sonstigen Beteiligten ihren Willen aufzuzwingen – sie mußten eine Initiative ergreifen. Sie mußten in dieser Krise ein klares, erreichbares Ziel definieren und alles in ihrer Macht Stehende tun, um es zu erreichen.
Und das mußte schnell geschehen.
Oval Office im Weißen Haus, Washington, D.C.
28. September 1994,07.10 Uhr Ortszeit
Für eine Besprechung im Weißen Haus war es ungewöhnlich früh, aber Präsident Lloyd Emerson Taylor war schon vor zwei Stunden aufgestanden und hatte sich über den Stand der militärischen Operationen auf den Philippinen unterrichten lassen. Jetzt empfing er den ersten offiziellen Besucher des Tages: Hao Sun Yougao, den chinesischen Botschafter in den Vereinigten Staaten. Dieser Termin war vor zwei Jahren vereinbart worden, und der Botschafter war mehrmals mit Außenminister Dennis Danahall zusammengetroffen, aber seit der Atomexplosion war dies Haos erstes Gespräch mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten.
In Washingtoner Regierungskreisen war Botschafter Hao allgemein beliebt. Er war jung, sprach ausgezeichnetes Englisch und hatte ein ansteckendes Lächeln, das sofort für ihn einnahm. Aber an diesem Morgen wirkte das Lächeln blaß, und seine nervöse Anspannung war beinahe mit Händen zugreifen, als Paul Cesare ihm einen Sessel anbot und der Präsident wieder Platz nahm. Ebenfalls anwesend waren Danahall, Verteidigungsminister Tom Preston und Justizminister Richard Benson, der Schwager des Präsidenten.
Hao wurde von einer jungen Frau begleitet, die er als seine Sekretärin und Dolmetscherin vorstellte, ohne ihren Namen zu nennen.
Nachdem Tee eingeschenkt worden war, eröffnete der Präsident das Gespräch. »Botschafter Hao, das Schweigen aus Peking macht uns alle besorgt«, sagte er. »Ministerpräsident Cheung hat sich nicht direkt an mich gewandt und ist seit der Katastrophe nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen worden.
Die Atomexplosion vor den Philippinen, Ihre schnelle Teilmobilmachung und Ihr Eingreifen auf den Philippinen haben hierzulande große Besorgnis hervorgerufen. Haben Sie eine Mitteilung Ihrer Regierung zu überbringen oder eine Erklärung dazu abzugehen, was sie wegen dieser ökologischen Katastrophe und der politischen Umwälzungen im Pazifikunternehmen will?«
Obwohl Hao kurz über diese Frage nachzudenken schien, wußten die anwesenden Amerikaner, daß er ein Profi war und wahrscheinlich in den letzten Tagen alle nur denkbaren Fragen und Antworten einstudiert hatte, um auf dieses Gespräch vorbereitet zu sein. »Ja, Mr. President«, antwortete Hao dann, »Genosse Cheung läßt Ihnen herzliche Grüße überbringen. Die erwähnte Katastrophe bedrückt und bekümmert ihn. Er möchte seinem aufrichtigen Wunsch Ausdruck verleihen, daß der Frieden um jeden Preis gewahrt wird.«
»Sehr edle Empfindungen, Mr. Ambassador«, sagte der Präsident unbeeindruckt, »die wir natürlich alle teilen. Aber …
Sie haben beträchtliche Seestreitkräfte auf den Philippinen, mobilisieren in ganz Asien strategische Luftstreitkräfte und scheinen im Gegensatz zum Rest der Welt kriegsbereit zu sein.
Entschuldigen Sie meine Ausdrucksweise, Mr. Ambassador, aber was, zum Teufel, geht hier vor?«
»Mr. President, ich bin
Weitere Kostenlose Bücher