Flug in Die Nacht
Taylor runzelte die Stirn. »Aber was ist, wenn die Chinesen nicht weichen wollen, Thomas – welche Optionen bleiben uns dann ?«
»Mr. President, das dürfte eher eine politische Entscheidung sein, die Sie mit Dennis Danahall und der Führungsspitze des Kongresses treffen sollten, aber die Chinesen stellen meiner Ansicht nach eine ernste militärische Gefahr für unsere Interessen in diesem Gebiet dar«, antwortete Preston. »Gelingt es ihnen, die Philippinen besetzt zu halten, können sie sämtliche Anrainerstaaten wirtschaftlich und militärisch unter Druck setzen. Uns bleibt nichts anderes übrig, als unsere Streitkräfte in diesem Gebiet ebenfalls zu verstärken. Wir müssen handeln.«
»Was schlagen Sie vor?« fragte der Präsident. »Wollen Sie Marineinfanterie oder die Air Battle Force entsenden?«
Preston überlegte kurz. »Ja, Sir – in begrenzter Zahl und unter strikter Geheimhaltung. General Curtis hat neue Geräte erwähnt, mit denen Brad Elliott seine Flugzeuge ausgerüstet hat. Damit wäre ein guter Anfang gemacht. Die Entsendung der gesamten Air Battle Force ließe sich nicht geheimhalten, aber bei nur drei bis vier Maschinen wäre die Sache einfacher.
Ich plädiere dafür, die STRATFOR zu ermächtigen, schnellstmöglich mit PACER SKY ausgerüstete Flugzeuge einzusetzen.«
Der Präsident sah zu seinem Schwager hinüber.
Justizminister Richard Benson nickte nachdrücklich.
»Genehmigt, Thomas«, entschied der Präsident. »Aber unter strikter Geheimhaltung. Ich will nicht, daß diese Flugzeuge gesehen werden, bevor ich ihre Verlegung offiziell bekanntgebe.« Er machte eine Pause, rieb sich müde die Augen und fügte hinzu: »Ich hoffe wirklich, daß bald gute Nachrichten von Botschafterin O’Day in Singapur kommen.«
ASEAN-Konferenzzentrum, Singapur Freitag,
3o. September 1994, 08.20 Uhr Ortszeit
Die Krisensitzung der Association of South East Asian Nations begann kurz nach dem ersten der fünf Gebete, die ihre moslemischen Mitglieder täglich zu verrichten hatten. Der Ruf des Muezzins hallte aus den Lautsprechern des Konferenzsaals, in dem ein funkelnder Kerzenleuchter aus Kristall und Silber an der rechten Seitenwand anzeigte, wo Mekka lag. Deborah O’Day, die UNO-Botschafterin der Vereinigten Staaten, war aufgefordert worden, während des Morgengebets auf der Damentoilette zu bleiben, weil Frauen – erst recht ungläubige Ausländerinnen – in der Nähe der Betenden unerwünscht waren.
O’Day waren die meisten Aspekte des moslemischen Alltags vertraut; sie kannte vor allem diesen feudalistischen Umgang mit Frauen. In vieler Hinsicht war die ASEAN, von deren sieben Mitgliedsstaaten vier überwiegend islamisch waren, kaum mehr als ein exklusiver Country Club ausschließlich für Männer, die ihr Spiel nur gelegentlich für kurze Zeit unterbrachen, um mehr oder weniger ernsthaft zu arbeiten und zu debattieren. Frauen waren nur als Sekretärinnen und dergleichen zugelassen – natürlich abgesehen von den stark geschminkten »Damen«, die man in der Halle des benachbarten Hotels sah, in dem die Außenminister und meisten Delegierten wohnten.
Entscheidend war, daß die Delegierten sie nicht als Frau, sondern als Vertreterin der Regierung der Vereinigten Staaten sahen. Um das zu erreichen, trug O’Day ein ausgesprochen männlich geschnittenes Kostüm mit zweireihiger Jacke und langem Rock, der an eine moslemische Robe erinnerte, und hatte sich eigens für diese Konferenz einen Kurzhaarschnitt machen lassen. Nur nicht auffallen! war ihre Devise.
Die Konferenz begann mit einer Reihe kurzer Statements zu der chinesischen Militärpräsenz auf den Philippinen, und ein Delegierter nach dem anderen beklagte die Tatsache, daß China so viele Soldaten und so viele Kriegsschiffe auf diese Inseln entsandt hatte.
Die philippinische Delegation plädierte wie erwartet für Geduld, Verständnis und Zurückhaltung in diesen kritischen Zeiten. Deborah O’Day kannte den neuen Botschafter der Philippinen nicht, wußte nichts über ihn und hatte noch kein Gespräch mit ihm führen können. Der ASEAN-Exekutivrat hatte ihn jedoch sofort akkreditiert, so daß er jetzt volles Rede-und Stimmrecht besaß.
»Die Philippinen sind dabei, die erste bedeutsame, produktive Veränderung in der Geschichte unseres Landes zu bewirken«, sagte der Botschafter. »Unser Staat ist praktisch seit seiner Gründung von Ausländern beherrscht worden … «
O’Day zog eine Augenbraue hoch. Ihr war klar, was da gespielt wurde:
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