Flug in Die Nacht
Stimme.«
O’Day glaubte, nicht richtig gehört zu haben. Ausgerechnet Thailand, das am meisten zu verlieren hatte, wenn zugelassen wurde, daß China seinen Einfluß in Südostasien weiter vergrößerte! Daß Thailand sich enthalten würde, hätte sie nie erwartet …
Damit besaß Vietnam die entscheidende Stimme. Die Vietnamesen müssen zustimmen, dachte O’Day. Schließlich waren China und Vietnam praktisch verfeindet. Gewiß, Vietnam war der einzige kommunistische ASEAN-Staat und ein ehemaliger Verbündeter Chinas, aber …
»Republik Vietnam.«
»Vietnam enthält sich der Stimme.«
Deborah O’Day sprang wie elektrisiert auf. „Was?« rief sie empört. »Sie enthalten sich? Warum?«
Der Vorsitzende hatte große Mühe, sich gegen das aufgeregte Stimmengewirr durchzusetzen. »Botschafterin O’Day, ich bin nicht bereit, Ihre Ausbrüche noch länger hinzunehmen. Ich muß Sie leider ersuchen, den Saal zu verlassen. Ich bitte um Ruhe im Saal … «
»Ich verlange eine Erklärung!« rief O’Day, während Sicherheitsbeamte auf sie zukamen. »Ist Ihnen nicht klar, was das bedeutet? Sie laden die Chinesen zu weiteren Annexionen ein, wenn Sie ihrem Expansionsdrang jetzt keinen Riegel vorschieben! Nur gemeinsam … «
O’Day verstummte erst, als sie von Sicherheitsbeamten halb geführt, halb getragen aus dem Saal befördert worden war.
Unmittelbar danach schleppte ein weiterer Trupp auch ihren Assistenten heraus.
»Unglaublich!« fauchte O’Day auf dem Weg zu ihrer Limousine. »Was, zum Teufel, geht hier vor? Vor allem Vietnam hätte gegen jegliche Form chinesischer Aggression stimmen müssen … Da ist irgendwas faul!«
»Das muß Washington sofort erfahren«, sagte ihr Assistent, als sie das Konferenzgebäude verließen. »Wir müssen dem Präsidenten sofort Bericht erstatten … «
Der Fahrer ihres Botschaftswagens – ein Marineinfanterist in blauer Uniform, mit blitzblanken Stiefeln, fleckenlos weißen Handschuhen, weißem Koppel mit Dienstwaffe, tief in die Stirn gedrückter weißer Mütze und Pilotenbrille – kam rasch um die Limousine herum, öffnete die hintere Tür und stand danach stramm, während O’Day und ihr Assistent einstiegen.
»Wie ist der Verkehr auf der Bukit Timah Road, Korporal?«fragte sie ihren Fahrer geistesabwesend.
»Dicht, Ma’am«, antwortete er knapp und schloß die Tür.
»Gut, dann nehmen Sie am besten die Central Avenue«,sagte O’Day, als der Fahrer einstieg. »Und rufen Sie im Government House an, damit wir eine Leitung nach Washington bekommen.« Ihr Fahrer ordnete sich in den Verkehr ein und rauschte in dem für Marines typischen Fahrstil die breite Avenue in Richtung Embassy Row entlang.
»Eben hat China grünes Licht dafür bekommen, die Philippinen zu besetzen und den restlichen Pazifikraum an sich zu reißen«, meinte der Assistent der Botschafterin. »Dem Präsidenten bleibt wahrscheinlich nichts anderes übrig, als militärisch zu reagieren.«
»Aber das gefällt ihm bestimmt nicht«, sagte O’Day voraus.»Bevor er Truppen einsetzt, sollen die Anrainerstaaten – oder wenigstens die meisten – ihr Einverständnis erklären.
Gott, wird er sauer sein!«
»Das ist ein Telefongespräch, um das ich Sie nicht beneide«,stimmte ihr Assistent zu. Er wandte sich an den Fahrer. »Korporal, Sie haben das Gespräch für die Botschafterin noch nicht angemeldet. Tun Sie’s bitte jetzt.«
Statt einer Antwort hörten sie das Klicken der elektrisch betätigten Türschlösser.
O’Day sah nach draußen, um festzustellen, ob sie verfolgt oder sonstwie bedroht wurden. Aber sie konnte nichts erkennen. Ihr Assistent griff sofort nach dem Geheimfach unter dem Rücksitz, in dem eine Uzi-Maschinenpistole lag.
»Warum haben Sie die Türen verriegelt, Korporal?« fragte O’Day. »Was geht hier vor?«
»Die Uzi ist weg«, sagte ihr Assistent. Er versuchte, die Tasten für Türen und Fenster zu betätigen, aber sie funktionierten nicht. Als er den Hörer des in die Armlehne eingebauten Mobiltelefons abnahm, mußte er feststellen, daß die Bereitschaftsanzeige nicht aufleuchtete – auch das Telefon war stromlos.
In der Hand des Fahrers erschien eine Colt-Pistole Kaliber 45; er hielt sie kurz hoch, damit O’Day und ihr Assistent sie sehen konnten, und ließ die Hand dann sofort wieder sinken.»Bleiben Sie bitte ruhig sitzen, ohne Dummheiten zu machen«,forderte er sie auf. »Ihnen passiert nichts – außer Sie leisten Widerstand.«
Erst als O’Day den Mann im
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