Flug in Die Nacht
konzentrierten sich vor allem auf das Seegebiet vor der Zamboanga-Halbinsel.
In der Kabinenmitte der umgebauten Boeing 707 befand sich der Kommando stand, wo Oberst Rachel Blanchard und ihr Stellvertreter, Hauptmann Samuel Fruntz, in einem Stapel vierfarbiger Karten blätterten. »Sehen Sie sich das an«, sagte Fruntz und deutete auf die Spitze der Zamboanga-Halbinsel.»Nicht gerade subtil, was? Eine ganze Schiffskette von der Nördlichen Balabac-Straße bis nach Zamboanga.« Er verglich die Darstellung mit einer anderen Karte. »Stimmt genau mit dem NIRTSat-Ausdruck überein, den Andersen uns übermittelt hat. Dieser PACER-SKY-Satellit ist wirklich ‘ne Wucht!«
Blanchard sah zu dem jungen Offizier hinüber und verdrehte die Augen. Als echter Technikfreak glaubte Fruntz, die jeweils neueste Technologie müsse unbedingt besser sein als die »ältere« – auch wenn diese erst einige Jahre alt war.
Blanchard, die im Strategie Air Command zwölf fahre lang EC-135 und RC-135 geflogen hatte und erst seit zwei Jahren eine Aufklärungsabteilung befehligte, hielt nicht viel von im Weltraum stationierten Aufklärungssystemen, die seit einigen Jahren in Mode gekommen waren. Selbst die neuesten High- Tech-Satelliten wiesen Schwächen auf, die nur von gut ausgerüsteten Flugzeugen wie der RC-135 oder der neueren EC-18 ausgeglichen werden konnten.
Oberst Blanchard hatte die meisten der sechzig verschiedenen Muster des Aufklärungs- und Überwachungsflugzeugs C-135 irgendwann selbst geflogen.
Die RC-135X war die modernste und beste Ausführung der älteren RC-Baureihe – aber die neuesten Aufklärer mit der Bezeichnung EC-18 waren noch erheblich leistungsfähiger.
Heute war ihre RC-135X mit dem Auftrag unterwegs, chinesische Luftabwehrstellungen entlang der Küste zu erkunden und Zieldaten für von Langstreckenbombern mitgeführte SRAM-Lenkflugwaffen oder Marschflugkörper zu sammeln. Indem die RC-135X die Meßwerte hochempfindlicher Sensoren mit Radar- und Infrarotbildern kombinierte, konnte sie bei einem einzigen Flug bis zu fünftausend Kilometer Küstenlänge überwachen.
»Hey, Sam«, fragte Blanchard ihren jungen Partner, »kann dieses Wunderding Ihnen sagen, um welche Art von Schiffen es sich handelt?«
»Nein, aber der Satellit … «
»Das hab’ ich mir gedacht. Unser Radar kann diese Schiffe identifizieren, während der PACER-SKY-Ausdruck nur Standort, Kurs und Fahrt angibt«, sagte Blanchard. »Ohne Identifizierung könnten wir den Verband nur als möglicherweise feindlich melden – und auch das bloß wegen seiner Formation.« Sie deutete auf einen vor Fruntz liegenden Computerausdruck. »Da haben Sie’s: Das größte Schiff des Verbands ist wahrscheinlich ein Raketenschnellboot der Hegu-Klasse. Was nutzt Satellitenaufklärung, wenn sie einem nur die halbe Story liefert?«
»Immerhin brauchten wir dann nicht fünftausend Kilometerweit zu fliegen, nur um festzustellen, daß ein großer chinesischer Konvoi nach Zamboanga unterwegs ist«, sagte Fruntz.
Blanchard zuckte mit den Schultern.
»Den eigentlichen Vorteil sehe ich woanders«, erklärte der junge Offizier ihr. »PACER SKY meldet uns beispielsweise, daß an den Ostküsten von Jolo Island und Pata Island, also mitten im Sulu-Archipel, Luftabwehrstellungen errichtet worden sind. Hier, sehen Sie, was ich meine? Solche Informationen brauchen wir, bevor wir in dieses Gebiet einfliegen.«
»Der Unterschied ist nicht allzu groß, weil wir trotzdem reinfliegen müssen«, stellte Blanchard fest. »Sollte es auf diesen Inseln tatsächlich SAM-Stellungen geben, schalten sie ihr Radar erst ein, wenn wir näher rangehen.«
»Jedenfalls ist’s besser, bereits vorgewarnt zu sein, als überrascht zu werden«, sagte Fruntz nachdrücklich. »Ich weiß lieber schon vorher, wo ein Radar steht, anstatt mich unangenehm überraschen zu lassen.«
»Ich liehe Überraschungen«, behauptete Blanchard und fügte dann schnell hinzu: »Sam, bei diesen Einsätzen müssen Sie ständig mit dem Schlimmsten rechnen. Allzu viele Informationen erzeugen ein falsches Sicherheitsgefühl. Sie müssen auf alles gefaßt sein. Erwarten Sie das Unerwartete …
«
»Radar vier meldet Schiffsziel!« rief einer der Radartechniker plötzlich. »In langsamer Fahrt … läuft mit zehn Knoten nach Westen.«
»Das ist etwas, das Ihr NIRTSat nicht gefunden hat«, sagte Blanchard spöttisch. »Auch wenn er noch so leistungsfähig ist, bleiben dreißig Minuten alte Informationen eben dreißig
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