Flug in Die Nacht
wird ins Dunkel hinausgeschossen: in zwei Sekunden von null auf hundertfünfzig Knoten. Brutal genug, daß der Verstand einem sagt, man befinde sich in steilem Steigflug, so daß man am liebsten nachdrücken würde – was binnen einer Sekunde den sicheren Tod bedeuten würde. Draußen ist nichts zu erkennen. Man weiß nicht mehr, wo oben, unten oder seitlich ist; dafür gibt es keine natürlichen Hinweise.
Also läßt man den Nachbrenner eingeschaltet und den Knüppel gezogen, bis man das Flugdeck verlassen hat und sich eindeutig im Steigflug befindet. Man glaubt seinen Instrumenten, denn der Verstand würde einen umbringen, wenn man ihn ließe. Steigen, Höhengewinn … Fahrwerk ein.
Hundertachtzig Knoten, Vorflügel und Klappen hoch.
Zweihundertfünfzig Knoten, Flügel auf maximale Peilung, einkurven und auf den Rottenflieger warten.
Draußen ist’s stockfinster, also konzentriert man sich auf seine Instrumente. Im Funk sind viele andere Menschen zuhören, die teils Hunderte von Seemeilen, teils nur einige Seemeilen entfernt sind. Allmählich hört man die wichtigen Meldungen heraus: Der Rottenflieger ist gestartet und hat einen im Radar, so daß er allein aufschließen kann, ohne vom Träger oder der E-2 Hawkeye geführt werden zu müssen.
Dann der Kurs zum Tanker – jeder F-14-Start kostet Unmengen von Sprit. Die eigenen Maschinen sind noch dreihundert Seemeilen und einen Vierteltank weit entfernt.
Cockpit kontrollieren, Klarmeldung von Leutnant Bob »Bear«
Bievin, dem Radar Intercept Officer (RIO), Sauerstoff und Innendruck kontrollieren, Waffen kontrollieren, alles kontrollieren.
Allmählich entsteht ein klares Bild der Lage. Ein amerikanisches Aufklärungsflugzeug ist weniger als hundert Seemeilen von den Philippinen entfernt und ganz in der Nähe chinesischer Kriegsschiffe. Nach vorerst noch unbestätigten Meldungen könnten chinesische Patrouillenflugzeuge mit Begleitjägern in der Luft sein – und die chinesischen Kriegsschiffe könnten ihre Geschütze und Fla-Lenkwaffen einsetzen. Großartig. Man ist von nachtschwarzem Dunkel umgeben und fühlt sich einsamer als je zuvor. Und man weiß, daß verdammt viel offenes Meer zwischen einem und trockenem Land oder einem Flugdeck liegt.
Alles passiert zu schnell, obwohl der Aufklärer noch Hunderte von Seemeilen entfernt ist. Bievin nimmt Funkverbindung mit dem Tanker auf, und man steuert ihn an.
Die kleine KA-6 kann nur ein paar tausend Liter Treibstoff abgeben, aber es ist besser, über dem Meer für Notfälle möglichst volle Tanks zu haben.
Die Luftbetankung bei Nacht ist kaum weniger aufregend als ein nächtlicher Katapultstart. Povik muß sich hinter den Tanker KA-6 setzen, einen winzigen beleuchteten Trichter mit nur gut einem Meter Durchmesser finden und die Tanksonde hineinstecken, indem er mit seiner ganzen dreißig Tonnen schweren Maschine zielt. Um sich nicht zu weit von der Ranger zu entfernen, fliegt die KA-6 dabei ein großes Oval, was dieses Manöver noch schwieriger macht. Mit Unterstützung durch Bievin schaffte Povik es im zweiten Anlauf und übernahm seinen ganzen Treibstoff auf einmal.
Nachdem sein Rottenflieger ebenfalls betankt worden war, ließen sie sich von der E-2C Hawkeye den Kurs zum Einsatzgebiet geben.
Wenig später übernahm ein Controller an der AWACS- Maschine der Air Force ihre Führung. Die Marinepiloten hatten schon mehrmals mit der E-3C Sentry geübt, aber ihre Controller arbeiteten anders als die der Navy: Sie redeten dauernd, schienen den Ehrgeiz zu haben, einem alle Zahlen von ihren Radarschirmen vorzulesen und überließen die Navigation weitgehend den Jägerbesatzungen. Aber Povik und sein Rottenflieger Bullet Five bekamen schließlich einen Steuerkurs, der sie auf Sichtweite an die RC-135 der Luftwaffe heranbrachte. Sie sah wie ein Tanker KC-135 aus – ohne Betankungsvorrichtung, aber dafür mit vielen Ausbuchtungen und Zusatzantennen.
Seit dem Katapultstart war weniger als eine Stunde vergangen. Jetzt befanden sich unbekannte Maschinen im Anflug. Povik hatte keine Zeit, sich bequem einzurichten, sein Blickfelddarstellungsgerät genau richtig einzustellen oder seine Gurte straff zu ziehen. Der Luftkampf begann sofort.
»Bullet Five, Abstand halten und Lichter kontrollieren«,wies Povik seinen Rottenflieger über Funk an. Er überzeugte sich mit einem raschen Blick davon, daß bei der anderen F-14A alles in Ordnung zu sein schien, bevor sie in der Dunkelheit verschwand. Jetzt mußten sie sich darauf
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