Flug in Die Nacht
dort draußen, um die weitere Entwicklung zu beobachten?«
Krieg machte ein besorgtes Gesicht. »In zwei Stunden gar nichts mehr.«
»Was soll das heißen?«
»Befehl vom CINCPAC.« CINCPAC bedeutete Commander in Chief Pacific Command – der amerikanische Oberbefehlshaber im Pazifikraum. »Er will keine Schiffe oder Flugzeuge in der Nähe der Spratlys haben, solange die chinesische Haltung nicht geklärt ist. Also strikt Hände weg!«
»Okay, was haben wir dort draußen gehabt?« knurrte Stone, den dieser Befehl irritierte.
»Ein paar F-16 von hier als Aufklärer, zwischendurch ein U-Boot-Jäger P-3, der von Zamboangea Airport oder Bangoy Airport aus gestartet ist, um Aufnahmen zu machen. Die Chinesen scheinen unsere Überwachung als bedrohlich empfunden zu haben. CINCPAC hat sich dieser Auffassung angeschlossen. Keine Flüge mehr, die näher als fünfzig Seemeilen an die Spratlys heranführen.«
»Der richtige Abschluß eines beschissenen Tages«, behauptete Stone, zog sich die Uniform glatt und machte kehrt, um vom Podium aus den Vorbeimarsch abzunehmen.
Generalmajor Richard »Rat« Stone war der letzte Kommandeur der jetzt aufgelösten Thirteenth Air Force, der größten amerikanischen Organisation für Lufttransport, Luftverteidigung und Luftunterstützung auf den Philippinen.
Seit ihrer Einrichtung im Jahre 1933 war die Clark Air Base ein wichtiger Stützpunkt für die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten gewesen. Jetzt wurde alles an die Filipinos zurückgegeben – zu einem Zeitpunkt, der zu den unruhigsten und gefährlichsten in der Geschichte des Inselstaats gehörte.
Der General sah zu den Horden johlender Demonstranten vor dem weniger als einen Kilometer entfernten Flugplatzzaun hinüber. Dort drängten sich mindestens zehntausend Filipinos, die antiamerikanische Parolen riefen und Flaschen und Steine über den Stacheldrahtzaun warfen. Auf Stones Befehl war hinter dem Zaun alle hundert Meter ein Schützenpanzerwagen aufgefahren, um zu verhindern, daß die Demonstranten ihn durchbrachen. Immer wieder übertönten einzelne Schüsse das Johlen der Menge. Stone fiel auf, daß er nach wochenlangen Protesten dieser Art nicht mehr zusammenzuckte, wenn irgendwo geschossen wurde.
In den letzten Monaten war der Kommandeur der Thirteenth Air Force weit über seine fünfzig Jahre hinaus gealtert. Stone war ein zurückhaltend wirkender, aber trotzdem energischer Mann, der vom Jagdflieger im Vietnamkrieg zum Zwei-Sterne-General und Kommandeur einer wichtigen Organisation aufgestiegen war, die einen demokratischen Hauptverbündeten verteidigte und Amerikas Westflanke schützte. Im vergangenen Jahr hatte er jedoch einen demütigenden, schamvollen Rückzug aus dem Stützpunkt und dem Land, das er lieben gelernt hatte, überwachen müssen. Ein zutiefst deprimierendes Erlebnis.
Von den fast elftausend Männern und Frauen, die noch vor einem Jahr hier stationiert gewesen waren, hatte Stone heute die letzten zweihundert zur Abschiedsparade antreten lassen.
Obwohl jede der früher hier stationierten zwanzig Einheiten mit zehn Personen hätte vertreten sein sollen, wußte Stone genau, daß die meisten dieser zweihundert Männer und Frauen handverlesene Sicherheitsbeamte waren, die heute den endgültigen Abzug der Amerikaner sichern würden.
Daß draußen am Zaun demonstriert wurde, hing auch mit den beiden Filipinos zusammen, die jetzt neben Stone auf der Tribüne standen: Präsident Arturo Mikaso und Vizepräsident Daniel Teguina. Teguina hatte als erster gefordert, die Philippinen sollten ihre Bindungen zum Westen kappen und die amerikanischen Stützpunkte aufkündigen. Im Gegensatz zu dem älteren, vornehmen Mikaso sonnte Teguina sich gern im Licht der Öffentlichkeit und pflegte sein Image, um den jungen Radikalen zu gleichen, die er zu vertreten glaubte. Er war immer modisch gekleidet, färbte sich die Haare, um graue Strähnen zu verdecken, und zeigte sich gern in Nachtclubs und Fußballstadien.
Trotz angeblicher Querverbindungen zur Neuen Volksarmee, die den Widerstand der kommunistischen Huk-Guerillas in den entfernteren Provinzen organisierte, florierte die Nationale Demokratische Front Teguinas in der mit Mikaso und Samar gebildeten Koalition. Unter Mikasos starker, populärer Führerschaft verringerte sich die von extremistischen Kommunisten ausgehende Gefahr, aber die neuen, radikaleren Stimmen im Regierungslager waren unüberhörbar. So dauerte es nicht lange, bis eine Volksabstimmung stattfand,
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