Flug in Die Nacht
seinem Sidestick. »Los, hilf mir!« forderte er McLanahan auf. »Der linke Flügel muß hoch!«
McLanahan holte seinen Sidestick heraus, der normalerweise unter dem rechten Instrumentenpult verstaut war. Er bewegte ihn, aber die erhoffte Reaktion des Bombers blieb aus. »Er funktioniert nicht!«
Die Bordsprechanlage verstummte, weil der Generator eins ausgefallen war. Cobb riß sich seine Sauerstoffmaske ab und schrie: »Los, raus mit dir, Patrick! Los, raus! «Trotz ihrer Notlage hütete Cobb sich davor, »Aussteigen!« zu brüllen – darauf hätte McLanahan automatisch reagiert.
»Rauf mit dem Flügel, Henry!« rief McLanahan. Cobb zerrte mit aller Kraft am Sidestick. Als die linke Flügelspitze sich langsam, fast unmerklich zu heben schien, stand McLanahans Entschluß fest: Er würde nicht aussteigen. Die B-2 konnte im nächsten Augenblick aufschlagen, das Feuer konnte bereits die Bombenkammern erreicht haben – aber solange Cobb ihm nicht auszusteigen befahl, würde er in der Maschine bleiben. Der anscheinend verbliebene Rest von Steuerbarkeit überzeugte ihn davon, daß sie noch eine Chance hatten …
Mehrere laute Knalle rüttelten den hundertfünfunddreißig Tonnen schweren Bomber durch, als ob sie von einer Riesenhand gegen einen Berg geschleudert, wieder aufgesammelt und nochmals hingeschleudert würden.
McLanahan konzentrierte sich auf den Fahrtmesser und die Triebwerksüberwachungsanlage. »Fahrt hundertachtzig …
Drehzahl Triebwerk eins fünfzig Prozent, Einlaß- und Abgastemperatur im roten Bereich … Triebwerk eins mit Strömungsabriß im Verdichter, Triebwerk stillegen.
Leistungshebel eins.« McLanahan bedeckte mit der linken Hand die Leistungshebel der noch arbeitenden Triebwerke, damit Cobb nicht versehentlich eines davon stillegte. Der Leistungshebel links außen wurde erst in Leerlaufstellung und danach auf »Abstellen« zurückgezogen. Ein Strömungsabriß im Verdichter bedeutete, daß das Triebwerk keinen Schub mehr lieferte, während weiter Treibstoff einströmte und sich in der Brennkammer explosionsartig entzündete, wobei die B-2 jedesmal wie von einer Riesenhand durchgerüttelt wurde.
»Aus!« meldete Cobb.
»Einlaß- und Abgastemperatur«, sagte McLanahan. Er sah auf sein SMFD, aber seit dem Ausfall des Generators eins war der Bildschirm dunkel, so daß er die kleinen Reserveinstrumente ablesen mußte. »Drehzahl Triebwerk eins vierzig Prozent, Einlaß- und Abgastemperatur weiter im roten Bereich. Die anderen sind okay. Wir müssen die Nummer eins stillegen.« Da sie wegen der ausgefallenen Bildschirme nicht wußten, ob der Computer die Stillegung bereits eingeleitet hatte, nahmen sie sicherheitshalber an, er habe es nicht getan.
»T-Griff Treibstoffzufuhr, Triebwerk eins, ziehen.«
»Zieh du ihn!« rief Cobb, weil er nicht wagte, eine Hand vom Sidestick zu nehmen. McLanahan löste den Zentralverschluß seiner Schultergurte, beugte sich weit nach links und faßte nach den nebeneinander angeordneten schwarz-gelb gestreiften Griffen, mit denen die Treibstoffzufuhr der einzelnen Triebwerke unterbrochen werden konnte. Er legte seine Hand auf den ersten T-Griff, überzeugte sich noch mal davon, daß dies der richtige war – ein arbeitendes Triebwerk abzustellen, hätte ihren sicheren Tod bedeutet –, und zog den Griff.
»T-Griff Triebwerk eins gezogen. Brandwarnleuchten.«
McLanahan kontrollierte die Warnleuchten unter den Griffen – keine der vier brannte. Er drückte auf den Testknopf, um sicherzugehen, daß die Anzeigen funktionierten.
»Brandwarnleuchten aus. Triebwerksanzeigen.« Da auch Cobbs Bildschirmdunkel war, fuhr er mit dem Zeigefinger über die Reserveinstrumente vor dem Piloten. »Einlaß- und Abgastemperatur hoch, aber zurückgehend …
Abgastemperatur am roten Strich. Ich denke, wir haben’s geschafft. Hydrauliksystem eins ausgefallen. Elektrisches System wird umgeschaltet. Generator eins abstellen, sobald du kannst.«
»Später!«
McLanahan würde auch den Rest ihrer Checkliste für Notfälle vorlesen, aber die entscheidenden Punkte waren abgehakt – die restlichen betrafen Kontrollen. Die B-2 schien sich wieder in Normalfluglage zu befinden, so daß Cobb endlich seine linke Hand vom Sidestick nehmen konnte.
Nachdem erden Generator eins abgestellt hatte, nahm er langsam wieder die gewohnte Haltung ein: eine Hand am Sidestick, eine Hand an den Leistungshebeln und den Blick starr nach vorn gerichtet, obwohl er sich zwischendurch mehrmals im Cockpit
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