Flug in Die Nacht
daß die Hong Lung sich gegen Minen und Luftangriffe nur mit ihrer 3,7-cm-Flak und ihren Phalanx-Revolverkanonen hätte verteidigen können. »Sollen wir sie an Backbord überholen oder nur zu ihr aufschließen ?«
Nach sorgfältigem Nachdenken über die Tatsachen – und seine eigenen Ängste – befahl Admiral Yin: »Wir setzen uns vor die Wenshan, gehen mit der Fahrt auf zwanzig herunter, bis die Xingyi zu uns aufgeschlossen hat, und laufen danach mit dreißig weiter, bis der letzte Standort der Chagdain Radarreichweite ist.« Die Xingyi war ein Schnellboot der Huangfen-Klasse, das wie die Hong Lung mit Lenkwaffen Fei Lung-7 zur Bekämpfung von Schiffszielen bewaffnet war.»Fuzhou und Chukou laufen weiter mit äußerster Kraft zur letzten bekannten Position der Chagda.«
»Zu Befehl!« sagte Lubu knapp. »Treffen mit Xingyi in voraussichtlich dreißig Minuten.«
»Funkspruch der Yaan«., meldete der Nachrichtenoffizier im Lageraum. »Sie hat die brennende Chagda in Sicht. Die Besatzung hat über Funk gemeldet, sie sei von zwei Lenkwaffen getroffen worden. Unser Vorpostenboot Baoji schwerbeschädigt, läuft jedoch mit fünf Knoten nach Südwesten ab. Keine Verbindung zu dem Minensucher Guangzhou. Die Yaan bittet um Erlaubnis, der Chagda beistehen zu dürfen.«
»Erlaubnis erteilt«, antwortete Admiral Yin. »Ich brauche Informationen über den philippinischen Verband. Stärke, Kurs, Fahrt – alles so schnell wie möglich.«
»Sofort, Genosse Admiral«, sagte der Nachrichtenoffizier.
Einige der Besatzungsmitglieder im Lageraum wandten sich ab, um ihren verärgerten Gesichtsausdruck vor Yin zu verbergen. Warum hatte der Admiral befohlen, mit der Fahrt herunterzugehen? Wäre es nicht ihre Pflicht gewesen, mit Höchstfahrt weiterzulaufen, um ihren Kameraden beizustehen?
»Funkspruch von der Yuan«, sagte der Nachrichtenoffizier einige Minuten später. »Kapitänleutnant Ko meldet, daß drei, möglicherweise vier Einheiten mit zwanzig Knoten von Phu Qui nach Osten laufen. Rundsichtradar festgestellt, kein Zielsuchradar mehr. Die feindlichen Hubschrauber scheinen zu den Schiffen zu fliegen.«
Admiral Yin atmete innerlich auf. Die Filipinos hatten offenbar nicht den Nerv, ihren Erfolg auszunützen, Phu Qui zu befestigen oder weitere Inseln in der neutralen Zone zu besetzen. Sie hätten bleiben können, um Yaan und Baoji weiter zu beschießen, die Chagda zu entern und Gefangene zumachen – das hätte Yin getan – oder zu versuchen, die Hong Lung in einen Hinterhalt zu locken, aber sie ergriffen einfach nur die Flucht. Damit überließen sie die Initiative wieder den Chinesen. Yin hatte keine Lust, mit seinem schönen Schiff in einen Hinterhalt oder ein Seegefecht mit einem philippinischen Verband unbekannter Stärke zu geraten; andererseits wollte er auch nicht den Eindruck erwecken, er schrecke vor einem Kampf zurück.
Deshalb lächelte der Admiral triumphierend, als er sich an seine Männer wandte, die ihn fragend ansahen. »Diese Idioten!
Seht ihr, wie sie weglaufen? Sie schleichen sich nachts an, überfallen uns wie Kinder, die Steine werfen, und flüchten, sobald es ernst wird. Solche Rückgratlosigkeit verachte ich!«
Yin drückte die Sprechtaste seines Mikrofons und sagte so laut, daß alle im Lageraum ihn hören konnten: »Kapitän Lubu, setzen Sie sich sofort über Satellit mit Dongdao in Verbindung.« Dongdao – etwa siebenhundert Kilometer nördlich ihrer jetzigen Position – war der neue Stützpunkt der chinesischen Luftwaffe auf den Paracel-Inseln. Obwohl sein Kommandeur ein Luftwaffengeneral war, gehörten die meisten Flugzeuge den Marinefliegern und unterstanden deshalb Yin.
»Dongdao soll einen für die Bekämpfung von Schiffszielen bewaffneten Seeaufklärer Shuihong-5 hierher in Marsch setzen. Eine zweite Maschine muß bereitstehen, um die erste ablösen zu können. Ich verlange, daß die Maschine in einer halben Stunde in der Luft ist, sonst … «
Diese unausgesprochene Drohung veranlaßte die Besatzungsmitglieder im Lageraum, sich angelegentlich auf ihre Konsolen zu konzentrieren und zu hoffen, Yin werde sie in Ruhe lassen. Der Admiral überlegte, ob er sich direkt mit dem Oberkommando der Südmeerflotte in Zhanjiang in Verbindung setzen sollte, aber bisher hätte er nur melden können, daß ein Sechstel seiner Flottille versenkt oder beschädigt war. Er mußte Eigeninitiative beweisen, irgend etwas unternehmen, bevor er dem Oberkommando diese Katastrophe meldete und auf weitere
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