Flug in Die Nacht
hinten.
»Jon, bist du übergeschnappt?« fragte der Techniker.
»Helen, hier ist Red. Jon ist eben in die Startkammer gekrochen. Du mußt die Sperren wieder einschalten.«
»Nein!« widersprach Masters aus der Kammer.
»Weitermachen mit dem Countdown!«
»Hier ist Kaddiri. Schalte die Sperren ein und halte den Countdown an. Besatzungsmitglied in der Startkammer.
Sperren eingeschaltet.«
Im nächsten Augenblick ergab der Eigentest der Nabelschnur ein befriedigendes Ergebnis. »Du hast’s geschafft, Jon!« rief Philips. »Aber das Startfenster haben wir verpaßt.«
»Countdown bei T minus sechzig beginnen«, ordnete Masters an. »Die Rakete hat genug Treibstoff für Korrekturen, und wir haben das Startfenster eher etwas knapp berechnet.
Weitermachen mit dem Countdown!«
»Ich denke nicht daran, das System zu reaktivieren, solange du noch in der Kammer bist«, sagte Kaddiri scharf.
»Ich bin draußen, ich bin draußen«, sagte Masters, sobald seine Schuhspitzen die Kammer verließen. »Los, los, weitermachen !« Masters schloß hastig die Kammertür. Philips hielt ihm sein Sauerstoffgerät hin, und während er sich mit aufgesetzter Maske an seinem Platz anschnallte, wurden die Bombenklappen geöffnet. Weniger als eine Minute später war die Trägerrakete gestartet.
»Abwurf gut, Zündung der ersten Stufe gut«, berichtete Helen, während die Rakete das Trägerflugzeug hinter sich ließ und himmelwärts davonraste. »Alle Systeme normal …
Tragflächen werden ausgefahren … zwanzig Sekunden bis zum Brennschluß der ersten Stufe … «
Masters wartete noch einige Sekunden, bevor er mit schwachem Lächeln zu Helen sagte: »Mann, das war knapp!
Weißt du, was passiert war? Der Stecker ist eine winzige Idee verkantet gewesen. Obwohl er als eingesteckt gemeldet worden ist, hat er keine Daten übertragen. Und das Dumme war, daß dieser Defekt nur in Startposition aufgetreten ist – im Frachtraum hat die Verbindung zu einem anderen Datenbus einwandfrei geklappt. Kein Wunder, daß wir vermutet haben, der Satellit sei defekt.«
Kaddiri las weiter die Leistungsdaten der Trägerrakete ab, damit das Tonbandgerät sie aufzeichnen konnte. Es diente als Reserve für den unwahrscheinlichen Fall, daß die Computeraufzeichnungen unbrauchbar waren. Sie ging mit keinem Wort auf Masters ein. Sah ihn nicht mal an.
Masters, dem ihr Schweigen auffiel, rutschte unruhig auf seinem Platz hin und her. In letzter Zeit schienen Startflüge sie nur noch mißmutig zu machen. Aber sie gehörte zu seinem Team, und er wollte auch mit ihr gut auskommen.
»Nur gut, daß ich’s gemerkt habe, was?« fragte er beinahe verlegen.
»Nein«, sagte Kaddiri, ohne ihn anzusehen. Sie hatte keine Lust, mit ihm darüber zu sprechen, solange jedes Wort aufgezeichnet wurde. Trotzdem hatte er die elektronischen Sperren umgangen und sie dadurch alle in große Gefahr gebracht. Die ALARM hätte leicht in der DC-10 losgehen und sie alle in Stücke reißen können. Und Jon hatte einen möglicherweise defekten Stecker in eine aktivierte Rakete gesteckt. Was hätte er damit unter ungünstigen Umständen auslösen können?
Masters, der ahnte, daß sie über die letzten Minuten nachdachte, sagte begütigend: »Helen … der Countdown ist angehalten gewesen.«
»Weil ich ihn angehalten habe, Jon.« Wären wir bei deiner Methode geblieben, dachte sie, und hätten den Countdown weiterlaufen lassen, würdest du jetzt vielleicht gerade dicht hinter unserer zwanzig Millionen teuren Rakete in den Pazifik klatschen – wenn das Ding nicht schon vorher hochgegangen wäre.
»Schön«, sagte Masters gönnerhaft, »Jackson One ist genau auf Kurs und hat die richtige Höhe und Geschwindigkeit. In acht Minuten ist er im Orbit, und die verdammte Luftwaffe kann sich den ganzen Scheiß ansehen, der auf den Philippinen passiert.«
»Wie du meinst, Jon … «
»Komm schon, Helen, ich … «
»Reden wir nicht mehr davon.«
Und er hielt den Mund.
4
Palawan-Passage, nahe der Ulugan-Bucht Provinz Palawan, Philippinen
Donnerstag, 22. September 1994, 04.17 Uhr Ortszeit
Die Hong Lung und ihre Begleitschiffe hatten bis auf fünfzehn Seemeilen zu dem philippinischen Verband aufgeschlossen, als das erste Flugboot Shuihong-5 erschien. Die chinesische Kampfgruppe lief langsam durch die wegen ihrer Riffe und Untiefen gefährliche Palawan-Passage vor der Westküste der Insel Palawan, der westlichsten Provinz der Philippinen. Die Insel war nur spärlich besiedelt, aber in der
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