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Flugasche

Flugasche

Titel: Flugasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Maron
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schlief fest, mit dem Gesicht zur Wand. Josefa lehnte ihren Kopf an seinen Rücken. Ohne zu erwachen, rückte er von ihr ab. Josefa drehte sich auf die andere Seite, so daß sie Rücken an Rücken lagen. Vielleicht könnte sie so noch einmal einschlafen. Als sie die Augen schloß, sah sie in einem Zimmer zwei Menschen, einen Mann und eine Frau, die ihr beide bekannt vorkamen, obwohl Josefa sich nicht erinnern konnte, sie je getroffen zu haben. Der Mann und die Frau sahen sich über einen kahlen Tisch hinweg an.
    Ich will an den Ozean, sagte die Frau, ich glaube an das unmenschlich Große, an das Ungesehene, ich glaube an den Ozean.
    Es ist zu spät, sagte der Mann, du mußt gehen.
    Ja, sagte die Frau.
    Das weiße Licht der Lampe, die über ihren Köpfen hing, blendete den Mann. Er zerschlug die Lampe mit der bloßen Hand.
    Ich seh dich nicht mehr, sagte die Frau. In der Stimme der Frau war Angst.
    Der Mann stand auf. Er hatte nur ein Bein. Er sprang auf dem Bein zum Fenster, holte die Kerze und stellte sie auf den Tisch. Ich habe keine Streichhölzer, sagte er.
    Nimm die Steine.
    Der Mann sprang zum Ofen, hob die Steine auf und machte Feuer. Das Licht der Kerze fiel in die Augen der Frau. Die Augen sahen aus, als würden sie brennen.
    Komm doch mit, sagte die Frau.
    Der Mann saß steif auf dem Stuhl. Er sah die Frau nicht an. Ich kann nicht so weit gehen, sagte er.
    Weil du zu faul bist. Und zu feige. Weil du zu faul und zu feige bist. Die Frau hatte geschrien.
    Der Mann duckte sich unter der schrillen Stimme der Frau. Sein Mund verzerrte sich zum Sprechen, aber außer einem gepreßten Röcheln kam nichts aus ihm heraus.
    Die Flamme der Kerze schlug hoch an die Decke. Der Mann sprang auf seinem Bein in eine Ecke des Zimmers und krächzte rauh: Du willst mich umbringen.
    Die Frau nahm ein Glas aus dem Schrank, ließ es voll Wasser laufen und brachte es zu dem Mann in die Ecke. Das bin nicht ich, sagte sie, das ist der Wind. Er weht heute vom Ozean.
    Der Mann zitterte. Er konnte das Glas nicht halten. Die Frau führte es an seinen Mund. Der Mann trank hastig, das Wasser gluckste laut durch seine Kehle.
    Schluck nicht so laut, sagte die Frau, das ist widerlich. Sie nahm dem Mann das Wasser vom Mund.
    Geh nicht weg, sagte der Mann.
    Nein, sagte die Frau.
    Zieh dich aus, sagte der Mann und sprang zum Bett. Die Frau zog sich aus. Auf ihrem runden Bauch leuchtete ein rotes Zeichen.
    Bist du schwanger? fragte der Mann.
    Ja, sagte sie, es wird ein besonderes Kind, das ist das Zeichen.
    Sie legte sich aufs Bett. Sei vorsichtig, sagte sie, sonst machst du es kaputt.
    Der Mann legte sich auf die Frau. Die Frau streichelte den roten vernarbten Beinstumpf des Mannes.
    Ich habe keine Lust, sagte sie.
    Der Mann schlug der Frau mit der Faust ins Gesicht. Aus den Augen der Frau floß Blut.
    Ich hätte doch gehen sollen, sagte sie. Die Frau tastete sich zur Wasserleitung und wusch mit einem nassen Handtuch vorsichtig ihr Gesicht. Sie stöhnte.
    Der Mann saß auf dem Bett und weinte. Er hatte das Laken über seinen Beinstumpf gezogen. Kannst du das nicht vergessen, sagte er.
    Nein, aber ich kann es nicht mehr sehn, sagte die Frau. Ich kann nichts mehr sehn.
    Der Mann lachte wild. Sie kann es nicht mehr sehn, schrie er, sprang zu der Frau, hob sie auf seine Arme und sprang mit der Frau zurück zum Bett. Sie kann es nicht mehr sehn, keuchte er, sie kann es nicht mehr sehn.
    Die Frau lag still auf dem Bett. Der Mann bog ihr die Beine auseinander. Die Kerze hatte einen schwarzen Fleck an die Decke gebrannt. Da hast du deinen Ozean, schrie der Mann und stieß sich tief in die Frau. Die Frau stöhnte. Der Mann trieb es mit der Frau. Er drehte sie auf den Bauch, auf den Rücken, auf die Seite. Das Laken war rot von dem Blut, das aus den Augen der Frau geflossen war. Dann fiel der Mann ab von der Frau. Ohne sie anzusehn, fragte er: War es gut? Die Frau antwortete nicht. Der Mann faßte die Frau mit seiner schweren Hand an. Die Frau war tot.
    Am Morgen war Christian unausgeschlafen und schlecht gelaunt. Er hatte schon an den Tagen zuvor geklagt, auf die Dauer könne er nicht zu zweit in einem Bett schlafen, weil er sich danach gerädert und zerschlagen fühle. Außerdem bekäme er Rheuma, wenn er noch lange die Nächte an der kalten Wand unter dem zugigen Fenster verbringen müsse. Josefa schlug vor, die Plätze zu tauschen. Sie sei es gewöhnt, an der kalten Wand zu schlafen. Christian lief nervös im Zimmer hin und her, tastete Regalbretter,

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